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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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gehorsam ein Gebet zu Sankt Vitus, das der umtriebige Stellvertreter Muris’ rasch übersetzt hatte. Der frisch getaufte Christ betete auch gleich mit lauter Stimme vor.
    Admir und die Seinen fragten sich, was sich nun eigentlich geändert hatte, doch sie sprachen es nicht laut aus. Noch am Abend bezogen sie wieder ihre Häuser in Puttgarden und Vitt.
    Enttäuscht waren an diesem Abend nur König Waldemar und Bischof Absalom bei der Bestandsaufnahme des Tempelschatzes. Die Priester hatten ihnen zwar eine gewaltige Holztruhe voller Geschmeide überreicht, aber bei genauerem Hinsehen war nur wenig davon wirklich wertvoll.
    »Wenn wir das auch noch teilen, ist dieser Feldzug ein Verlustgeschäft«, sagte König Waldemar unwillig. »Haben die Priester sich wirklich mit Glasperlen und Stoffballen bezahlen lassen?«
    »Nehmen wir es als Beweis dafür, dass ihr Orakel weniger häufig befragt wurde, als wir dachten«, sagte der Bischof milde. »Das letzte Aufbegehren des Heidentums, eine erfreuliche Folge der Slawenkreuzzüge …«
    »Soll ich dafür jetzt dankbar sein?«, warf der König wütend ein.
    Absalom gebot ihm mit einer Handbewegung Schweigen. »… der Slawenkreuzzüge des Herzogs Heinrich«, sprach er gelassen weiter.
    »Er ist also sozusagen selbst schuld«, lachte König Waldemar. »Auch du bist ein Gauner, Herr Bischof. Aber wir werden ihm immerhin erlesene Geschenke schicken können. Brokatstoff zum Beispiel – eines Hochzeitskleides würdig. Und wen beauftragen wir mit der Auswahl der ›Kammerfrau‹?«

Kapitel 9

    A mra wusste nicht recht, wie ihr geschah, als man sie im Laufe des nächsten Morgens aus dem provisorisch errichteten Zelt der Geiseln holte und sie anwies, sich zu waschen und ihr Haar zu richten. Ihre Locken hatten sich beim Kampf mit ihrem Angreifer gelöst, eines der Mädchen besaß jedoch einen Kamm, den es ihr bereitwillig lieh – und seiner Erleichterung Ausdruck gab, nicht selbst an Amras Stelle gehen zu müssen. Nach dem Überfall der beiden hochrangigen Obodriten befürchteten die weiblichen Geiseln nur noch das Schlimmste.
    Amra frisierte also ihre hüftlangen roten Locken, versteckte sie aber gleich wieder so züchtig wie möglich unter ihrem Schleier. Dennoch folgten ihr lüsterne Blicke, als zwei Ritter sie durchs Lager führten – und dann in einem Zelt allein ließen, in dem eine ältere Frau auf sie wartete. Verwundert erkannte sie Mava, die Hebamme aus Puttgarden.
    »Du bist Jungfrau, Mädchen?«, fragte Mava kurz angebunden.
    Amra wollte eben bejahen, als die Hand der alten Frau blitzschnell unter ihren Rock fuhr und ihre Scham ertastete. Ihr Finger fuhr prüfend in sie hinein – die gleiche Untersuchung, die schon einmal Basima lachend an ihr durchgeführt hatte. Basima war dabei allerdings sanfter vorgegangen.
    »Du bist Jungfrau«, bestätigte Mava, um sich dann gleich von Amra abzuwenden. »Die Götter mögen mit dir sein.«
    Damit verließ sie das Zelt, ohne Amra über ihren Auftraggeber und den Sinn der Untersuchung aufzuklären. Amra wollte ebenfalls gehen, wurde aber von ihren Wächtern daran gehindert.
    »Hier warten!«, befahlen sie ihr in gebrochenem Ranisch und postierten sich vor dem Eingang.
    Es wurde Nachmittag, und Amra litt unter Hunger und Durst, als man sich endlich an sie zu erinnern schien. Wieder antworteten die Männer ihrer Eskorte jedoch nicht auf ihre Fragen – Amra nahm an, dass man sie einfach nicht verstand. Ihre Wächter brachten sie in den Teil des Lagers, in dem der König und seine höchsten Würdenträger residierten. Langsam bekam sie Angst. Wollte sich hier einer der hohen Herren eine Jungfrau für eine Nacht gönnen? Das war möglich, doch eigentlich bezweifelte sie, dass er vorher eine Hebamme beauftragt hätte, sich ihrer Unberührtheit zu versichern. Sie hatte nie gehört, dass sich ein Krieger vor der Schändung einer Frau solche Mühe machte – zumal er doch beim ersten Stoß selbst herausfinden würde, ob sie Jungfrau war oder nicht. Zudem war der Zeitpunkt ungewöhnlich. Wenn sich ein Ritter – oder gar ein Geistlicher – eine Frau holte, dann doch nicht am hellen Nachmittag! Die Wege zwischen den Zelten waren bevölkert, Dutzende von Rittern sahen, dass man Amra zur Residenz des Königs führte. Entweder waren diese Dänen gänzlich schamlos, oder es gab doch andere Pläne.
    Amra war erleichtert, als sie unterschiedliche Stimmen aus dem Zelt hörte, in das man sie schließlich führte. Zumindest würde man sie nicht mit

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