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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Begleitung des Bischofs Absalom hinaus. »Ich freue mich«, erklärte er seiner Ritterschaft, »dass die Verhandlungen mit König Tetzlav auf das Angenehmste verlaufen sind. In Wahrheit litten der König und sein Hof schon seit Langem unter dem Fluch des Heidentums, haben es aber bislang versäumt, sich gegen die Übermacht der Priester ihres Götzen zu wehren. König Tetzlav sieht unser Kommen nun als Zeichen an, sich endlich zum wahren Gott zu bekennen. Zum Beweis, dass er es ernst meint, wird er sich selbst, die Königin und zwanzig wichtige Würdenträger seines Hofes im Rahmen der gleich folgenden Messfeier taufen lassen. Darunter auch seinen Bruder und berufenen Nachfolger Jaromar. Danach werden wir die Burg Arkona in Besitz nehmen – ich selbst als Lehnsherr und Fürst Tetzlav als neuer christlicher Statthalter Rujanas. Lobet den Herrn!«
    Die Ritter jubelten ihrem König zu, aber dann ergriff der Bischof das Wort. »Begebt Euch nun auf die Ebene vor der Burg, die dank Gottes Gnade und Fürst Tetzlavs Einsicht kein Schlachtfeld sein wird, sondern Schauplatz eines großen christlichen Gottesdienstes. Und haltet auch Eure slawischen Mitstreiter dazu an. Ich möchte das Heer vollständig versammelt sehen, wenn Fürst Tetzlav und seine Leute sich dem wahren Glauben anschließen. Lobet den Herrn!«
    »Und damit behält König Tetzlav die Herrschaft, wenn auch nicht seinen Titel«, berichtete Baruch Amra wenig später. Er unterhielt sich mit ihr über den Zaun des Lagers der Geiseln hinweg, beobachtet, aber nicht gestört von den Wachen.
    Baruch war gekommen, nachdem seine Dienste beim König nicht mehr benötigt wurden. Absalom und die anderen geistlichen Würdenträger nahmen ausnahmsweise davon Abstand, den Juden zu demütigen, indem sie seine Anwesenheit beim christlichen Gottesdienst forderten. Das war keine Selbstverständlichkeit, und Baruch schloss daraus, dass sie seine Übersetzerdienste in den nächsten Tagen noch dringend brauchten.
    »Tetzlav hat es bei den Verhandlungen klingen lassen, als seien die Priester an allem schuld – vom Verstoß seines Vorgängers gegen die Kapitulationsbedingungen beim ersten Sturm der Dänen auf die Burg vor dreißig Jahren bis zu seinen eigenen Raubzügen nach Dänemark. Und König Waldemar ist auch nicht allzu streng mit ihm ins Gebet gegangen. Dem liegt daran, die Burg heute noch zu übernehmen und vor allem den Tempel zu zerstören. Schließlich ist heute der Festtag ihres heiligen Vitus. Und den sehen sie ja durch Svantevit geschändet. Jedenfalls hat Waldemar die Zerstörung der Götzenbilder für heute angekündigt, und wie es aussieht, wird es auch gelingen.«
    Der Gottesdienst auf der Ebene vor der Burg hatte bereits begonnen, und die Gesänge und Gebete der Männer schallten zu den Geiseln herüber. Wie schon in den Tagen zuvor herrschte strahlender Sonnenschein, nur gelegentlich zogen leichte Wolken wie zarte Schleier über den blauen Himmel von Rujana. Amra überlegte, wie wohl das Meer aussah. Ob es in diesem Licht blau oder grünlich schimmerte? Sie vermisste die Klippen und das Gefühl der Freiheit, das der Blick weit hinaus über die Felsen und das Meer vermittelte.
    »Und wir?«, fragte sie dann. »Wenn alles so gut aussieht, könnte man uns doch freilassen.«
    Baruch schüttelte den Kopf. »Erik II. hat auch schon gedacht, es sähe gut aus mit der Christianisierung der Rujaner«, meinte er. »Aber kaum zog er mit seinem Heer ab, da befragten die wieder ihr Orakel und beteten zu Svantevit. Gut, diesmal wird man härter vorgehen, die Statuen verbrennen und den Tempel dem Erdboden gleichmachen. Aber machen wir uns nichts vor, so eine Statue aus Holz ist schnell geschnitzt und ein Tempel leicht wieder aufgebaut.« Er lächelte. »Das Schwierigste würde noch sein, neue Pferde so zu schulen, dass die Zeichen immer im Sinne der Priester ausfallen.«
    Amra verzog den Mund, aber es war kein echtes Lachen. »Also behält man die Geiseln«, murmelte sie.
    Baruch brachte es nicht übers Herz, sie über die wahren Absichten des Königs und des Herzogs aufzuklären. »Herr Magnus und ich versuchen alles, um dich vor dem Schlimmsten zu bewahren«, sagte er nur – und hatte nicht mit dem Strahlen gerechnet, das daraufhin Amras Gesicht erhellte.
    »Herr Magnus?«, fragte sie eifrig. »Herr Magnus wird mich befreien?«
    Baruch wandte die Augen gen Himmel. »Ich hätte dir weniger Rittergeschichten zu lesen geben sollen«, seufzte er. »Diese höfische Dichtung schürt

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