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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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zu schämen, König Waldemar und den Bischof belauscht zu haben. Ihr Gespräch ging ihn nichts an, und er wollte auch gar nicht wissen, ob und inwieweit Waldemar Heinrich zu hintergehen plante. Schließlich hegte er Verbindungen zu beiden Fürsten, eigentlich schuldete er Heinrich als seinem Dienstherrn sogar mehr Loyalität als seinem entfernten Verwandten Waldemar. Und was er nicht wusste, konnte er auch nicht verraten. Aber die Unterhaltung der beiden hatte ihn auf eine vielleicht rettende Idee gebracht, die er Baruch nun vortrug.
    »Wenn der König Herzog Heinrich Amra schicken würde«, sagte er leise. »Sie … ich sehe sie ungern als seine Gespielin, aber wenn der Sklavenmarkt die Alternative ist … In Braunschweig wäre sie in Sicherheit …«
    Amra fand nur wenig Schlaf in ihrer ersten Nacht als Geisel. Das Lager um sie herum kam nicht wirklich zur Ruhe, sie hörte das Schnarchen der Männer, die ohne Schutz von Zelten rund um die Lagerfeuer schliefen, und fuhr jedes Mal zusammen, wenn einer von ihnen aufstand und sich auf dem Weg zu den Latrinen ihrem Zelt näherte. Dazu weinte Alenka die ganze Nacht, und Bogdana sprach immer wieder beruhigend auf sie ein. Amra jedenfalls fühlte sich wie gerädert, als sie sich bei Sonnenaufgang endlich erheben konnte. Die Ritter des Feldlagers waren längst auf den Beinen, man hörte Trompeten und Trommelklänge.
    »König Tetzlav zieht ein«, verkündete eines der Mädchen, das am Abend zuvor mit den Obodriten getändelt und von ihnen wohl etwas mehr über den weiteren Ablauf der Kapitulation Arkonas erfahren hatte. »Die Dänen heißen ihn in allen Ehren willkommen. Sieht so aus, als ginge es hier wirklich niemandem an den Kragen.«
    »Außer uns«, bemerkte Bogdana. »Und den alten Göttern. Die Dänen werden sich jetzt mit König Tetzlav verständigen und dann den Tempel dem Boden gleichmachen. Dabei kann es durchaus noch zu Kämpfen kommen, die Priester haben der Kapitulation ja nie zugestimmt. Und Svantevit ist ein rachsüchtiger Gott.« Ihre langen Finger malten ein Zeichen in die Luft, mittels dessen sie ihn wohl beschwichtigen wollte.
    Amra fürchtete den Zorn des Gottes nicht, wohl aber die Gegenwehr der Priester. Hoffentlich gehörte nicht Magnus zu den Rittern, die den Beschluss von König und Volksversammlung durchsetzen mussten.
    Magnus hatte ebenfalls nicht gut geschlafen, saß aber schon bei Morgengrauen in sorgsam polierter Rüstung auf dem Pferd, um König Tetzlav und seinen Hof zu Waldemar zu eskortieren. Der ranische König erschien edel gekleidet – trug aber keine Rüstung. Neben seinem imponierenden Schimmelhengst ritt seine Gemahlin Libussa in nicht minder prunkvollem Staat. Ihr Zelter tänzelte nervös, als er durch das Spalier der dänischen Ritter schritt – ein guter Grund für die Königin, nicht huldvoll nach links und rechts zu grüßen. Sie schaute missmutig zu Boden. Niemand wusste, wie Libussa zu der kampflosen Übergabe ihrer Heimatburg und dem Bruch mit den alten Göttern stand. Die Königin galt eigentlich als gläubig, auch wenn sie weniger Svantevit huldigte als der Erdgöttin Mokuscha.
    Dem Königspaar folgten Ritter und Edelfrauen, prächtig gekleidet, auf Pferden mit erlesenem Sattelzeug. Die Szenerie wirkte mehr wie ein freundschaftlicher Besuch des ranischen Hofes bei einem befreundeten Herrscher als wie eine Kapitulation.
    Die slawischen Fürsten – die sich den Christen selbst sicher unter weniger würdigen Umständen ergeben hatten – schauten denn auch säuerlich, aber König Waldemar und den Bischöfen war der festliche Aufzug gerade recht. Sie begrüßten die Ranen huldvoll und zogen sich gleich darauf mit König Tetzlav und seinen wichtigsten Ratgebern zu einer Besprechung zurück. Baruch von Stralow diente als Übersetzer – auf die Obodritenfürsten mochte Waldemar wohl nicht zurückgreifen. Die Ritter warteten vor dem Zelt des Königs, Diener schleppten Karaffen mit dem edelsten Wein und Platten voller erlesener Speisen hinein.
    Magnus langweilte sich und wurde immer unruhiger. Er hätte lieber Amra besucht, anstatt hier zu warten, aber er wusste natürlich, dass die Wachen im Lager der Geiseln auch ihm den Zutritt verwehren würden. Er könnte sich höchstens vergewissern, dass es keine weiteren Übergriffe gegeben hatte und die Frauen in Sicherheit waren. Vielleicht würde wenigstens Herr Baruch später mit Amra sprechen können.
    Nach zwei langen Stunden öffnete sich dann das Zelt, und der König trat in

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