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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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kindische Träume. Denk nicht mehr an den Ritter, Amra, egal, was du meinst, für ihn zu empfinden. Er kann dich nicht zu seiner Frau machen. Selbst wenn er der Erbe des Lehens seines Vaters wäre und nicht der jüngere Sohn. Du bist nicht seines Standes.«
    »Aber das weiß doch keiner.«
    Amra begann sofort, Pläne zu schmieden. Allein der Gedanke beflügelte sie. Sie wollte etwas hinzufügen, doch Baruch brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Er ist ein Ritter ohne Land, Amra. Er muss sich bei Burgherren verdingen, zurzeit dient er dem Herzog Heinrich.«
    »Nicht König Waldemar?« Amras Stimme klang enttäuscht. Hatte sie doch gehofft, dass der Weg als Geisel sie an den dänischen Hof führen würde.
    Baruch schüttelte den Kopf. »Nein, er kämpft im Dienste des sächsischen Herzogs, den man den Löwen nennt. Und er hofft, sich irgendwann ein Lehen zu erwerben. Aber das tun auch alle anderen Ritter an Heinrichs Hof, die Wahrscheinlichkeit dafür ist äußerst gering. Du siehst es doch selbst, Amra: Rujana bleibt in der Hand des ranischen Adels, auch wenn es jetzt zu Dänemark gehört. Kein Ritter erhält hier ein Lehen. Das ist bei anderen Eroberungen nicht viel anders. Schlag es dir aus dem Kopf, Amra. Wenn es für dich eine Hoffnung gibt, dann liegt sie woanders. Ich tue, wie gesagt, was ich kann. Aber nun muss ich gehen, der Gottesdienst wird bald enden, und dann ziehen alle auf die Burg. Der Erste, der sich dort taufen lassen wird, ist übrigens der Edle Vaclav … Er hat Boten geschickt und heißt uns willkommen.«
    »Dann ist er also wieder da?«, wunderte sich Amra. »Wo mag er bloß gewesen sein?«
    Baruch zuckte die Schultern. »Wo auch immer er war, er bereitet uns nur Ärger. Wäre er auf Arkona geblieben, wie es ihm sein König befohlen hatte, hätte man dich niemals weggeschickt …«
    Die Geiseln hörten die Gesänge der Christen, als sich schließlich der Zug aus ranischen und dänischen Würdenträgern formierte und auf die Tore der Burg Arkona zubewegte. Schlachtenlärm hörte man nicht, die Tore wurden den Eroberern also geöffnet wie versprochen. Tatsächlich erklang sogar gedämpfter Jubel aus der Burg, was Amra wunderte. Feierten die Menschen aus Vitt und Puttgarden da tatsächlich den König, der sie in der Stunde der Not verlassen hatte? Oder waren sie einfach nur erleichtert, dass die Belagerung jetzt friedlich enden sollte?
    Aber dann waren plötzlich Schreie zu hören, Rauchwolken stiegen über der Burg auf.
    »Sie verbrennen die Götterbilder«, beruhigte Amra die besorgten Geiseln. »Das steht im Kapitulationsvertrag. Aber sonst werden sie nichts zerstören.«
    Auf viele der Geiseln hatte dieser vermeintliche Trost allerdings eine gegenteilige Wirkung. Einige von ihnen warfen sich wehklagend auf den Boden und beteten zu Svantevit, um den Gott zu befrieden. Andere starrten erwartungsvoll in den Himmel über dem Tempel, als müsste der rächende Gott auf seinem Rappen jeden Moment aus dem Rauch aufsteigen und mit Feuer und Schwert über das Heer der Dänen kommen. Tatsächlich geschah nichts dergleichen. Man hörte erneut fromme Gesänge – die Christen triumphierten.
    Amra fragte sich, was mit den Orakelpriestern geschehen war, aber sie nahm an, dass das Angebot der Dänen auch für sie galt: Wenn sie sich taufen ließen, konnten sie unbeschadet auf der Burg, womöglich sogar in ihren Ämtern bleiben und sich zum christlichen Priester weihen lassen.
    Wie sie später erfuhr, hatten sich tatsächlich nur zwei jüngere Priester beim Kampf für ihren Gott geopfert. Sie stellten sich den Dänen mit dem Mut der Verzweiflung entgegen, als das Heiligtum geschändet wurde. Die Söldner machten sie umgehend nieder – und ihre Körper wurden den Flammen übergeben. Muris, der Hohepriester, war verschwunden, anscheinend kurz nach Vaclav oder mit ihm zusammen. Sein Stellvertreter übergab demütig den Tempelschatz an Bischof Absalom und ließ sich dann gemeinsam mit Vaclav taufen.
    Die Bischöfe legten den Grundstein für die erste Kirche auf Rujana und weihten sie dem heiligen Vitus. König Waldemar konnte die schwarzen Tempelhengste gerade noch vor dem heiligen Wüten der christlichen Priesterschaft retten, der Bischof von Schwerin hatte geplant, sie in ihren Ställen zu verbrennen. So wanderten die überaus wertvollen Tiere in den Marstall des Königs. Einer der Hengste, so sicherte Waldemar den Obodritenfürsten zu, würde an Herzog Heinrich gesandt werden.
    Das Volk sprach

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