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Die Geisel von Zir

Titel: Die Geisel von Zir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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Gewalt und Blutvergießen als alle Erfindungen der industriellen Revolution zusammengenommen. Nun, jedenfalls bekehrte einer von diesen Spinnern vor mehreren Jahren eine einheimische Priesterin, die sich daraufhin aus Teilen seiner Lehre einen eigenen Kult aufbaute. Shosti, so heißt diese Priesterin, ist mittlerweile Oberhaupt einer weit verbreiteten Sekte: der ›Endgültigen Wahrheit‹, wie man wohl auf Englisch sagen würde. Der Kern ihrer Lehre ist die Behauptung, dass das Universum der Schauplatz eines gewaltigen Ringens zwischen zwei sich unversöhnlich gegenüberstehenden Gruppen interplanetarischer Entitäten ist, nämlich der Guten und der Bösen. Wir Ertsuma sind die Bösen. Es geht das Gerücht, dass dieser französische Schwindler, Borel, bei ihr Unterschlupf gefunden hat.«
    »Aber wenn er doch einer von den Bösen ist …«
    »Wie schon gesagt, Kumpel, es handelt sich lediglich um ein Gerücht. Seit sich seine Spur in den Bergen verlor, haben wir nichts Konkretes mehr von ihm gehört. Da kommt übrigens der Tageszug.«
    Der aus fünf Waggons bestehende, von nur einem Bishtar gezogene Zug aus Jizorg näherte sich ratternd auf dem Hauptgleis. Schmuck anzuschauen in seinem frischen rotblauen Anstrich, rumpelte er an dem auf dem Ausweichgleis wartenden Sonderzug vorüber. Die Passagiere an den Fenstern tauschten Winke und Grußrufe mit den draußen herumspazierenden Insassen des Sonderzugs aus.
    Strachan aß seine Frucht zu Ende. »Ich sehe, dass Meister Kherát, unser braver Schaffner, gerade seine Leute einsammelt. Am besten holst du deine jetzt auch. Es geht gleich weiter.«
    Wenig später hatte Reith alle seine Leute zurück an Bord des Zuges. Das heißt, alle bis auf einen: Otto Schwerin. Nach einer verzweifelten Suche fanden sie ihn schließlich auf einem Ast hockend, beim Fotografieren.
     
    Der gelbe Roqir verschwand schon hinter den bewaldeten Bergrücken, als der Zug das Dorf Jizorg erreichte und auf einem Nebengleis hielt. Strachan führte Reith und seine Touristen über die morastige Hauptstraße zum Dorfgasthof. Ein stämmiger Krishnaner tätschelte beruhigend seinen Eshun, der beim Anblick des seltsamen Haufens wild an seiner Kette zerrte und knurrte. Alsdann begrüßte der Krishnaner – der der Gastwirt war, wie sich herausstellte – die Gruppe mit Verbeugungen und gestenreich vorgetragenen Worten, jedoch zu schnell und in einem zu starken Dialekt, als dass Reith hätte folgen können.
    »Er sagte«, erklärte ihm Strachan, »als Dank für die Ehre, die erste Touristengruppe aus einer fremden Welt beherbergen zu dürfen, wolle er seinen Schuppen in einen Palast umgestalten.«
    »Da hat er aber eine Menge zu tun«, meinte Considine spöttisch.
    Im Hof zeigte der Wirt ihnen stolz den Ziehbrunnen in der Mitte. Zwei Arbeiter waren dabei, einen Kreis um den Brunnen mit flachen Steinplatten auszupflastern, während ein dritter, ein Maurer, einen weiteren Stein gerade so zurechthaute, dass er sich in den kreisförmigen Sockel der Brunneneinfassung einfügte. Der Wirt verfiel erneut in einen gestenreichen Wortschwall.
    »Er sagt«, übersetzte Strachan, »dass der alte Brunnen gut genug gewesen wäre, als er noch wenige Gäste gleichzeitig gehabt hätte; aber bei dem wachsenden Touristenaufkommen, mit dem er für die Zukunft rechnet, würde der Hof zu einem Morast zertrampelt. Deshalb die steinerne Einfassung. Als nächstes, sagte er, werde er eine Winde und einen Schwengel auf der Mauerkrone der Brunneneinfassung installieren, damit die Dienstboten die Eimer nicht mehr mühsam von Hand hochzuziehen brauchten. Ich sag’s ja, Kumpel, die industrielle Revolution naht mit Riesenschritten.«
    Obgleich Reiths Touristen sich mittlerweile an einiges gewöhnt hatten, was den Unterbringungskomfort betraf, waren sie doch entsetzt angesichts der Primitivität, mit denen dieses Logis aufwartete. Besonderen Anlass zur Klage gab die Tatsache, dass bei nur vier verfügbaren Betten die Männer zu viert in einem Bett nächtigen mussten.
    »Ich verlange ein Wett für mich und meine Frau!« erklärte Guzmán-Vidal kategorisch. »Die anderen vier Damen können in dem anderen Wett eschlafen. Bir eschlafen niemals getrennt, nicht einmal, benn bir Eschtreit haben!«
    »Nichts zu machen, Santiago«, sagte Reith achselzuckend.
    »Awer ich win ein Mann! Ich kann nicht getrennt von meiner Frau eschlafen…«
    »Willst du allein zurück nach Novo?« fragte Reith mit leicht drohendem Unterton in der Stimme.
    Guzmán-Vidal

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