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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Schweißflecken unter den Armen beschert. Sie hoffte inständig, dass es im Büro von Oberarzt Thorbjørn Larsen ein wenig kühler war.
    Der kleine Vorraum, den sie betrat, roch nach Reinigungsmitteln und Linoleum. Der allgegenwärtige Geruch, der allen Krankenhäusern zu eigen war. Ein Geruch, der sie an kräftezehrende Dienstzeiten erinnerte. Ein Geruch, der automatisch die Sinne schärfte und sie zur Arbeit rief. Auch an einem Tag wie diesem, an dem ungewiss war, was ihre Begegnung mit dem Oberarzt ergeben würde.
    Die nicht mehr ganz taufrische Krankenschwester hinter dem Schalter blickte lächelnd zu ihr auf. Ihre Haut sah vom vielen Sonnenbaden fast orange aus. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie und blendete Maja mit ihren weißen Zähnen.
    »Ich habe einen Termin bei Dr. Larsen.«
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Maja Holm, ich bin Ärztin.«
    »Einen Augenblick bitte.« Die Krankenschwester griff zum Telefon und tippte eine kurze Nummer ein. Sie runzelte die Stirn, da sie keine Antwort erhielt. »Wie merkwürdig … Warten Sie, ich schau mal kurz nach.« Sie ging zur Tür und streckte ihren Kopf zum Gang hinaus. »Oh«, rief sie. »Er steht dort hinten mit einem Patienten.« Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr. »Aber die müssen jeden Moment fertig sein. Gehen Sie ruhig schon zu ihm.«
    Maja bedankte sich und ging den langen Gang hinunter, den beiden Männern entgegen. Der eine von ihnen hielt einen Golfschläger in der Hand. Der andere stand direkt hinter ihm und führte seinen Arm vor und zurück. Der Mann mit dem Golfschläger mochte Ende fünfzig sein und sah mit seinem langen Pferdeschwanz, dem bunten Hawaiihemd und der engen schwarzen Lederhose nicht gerade wie ein typischer Golfer aus.
    »Nicht so verkrampft. Deine Schultern müssen lockerer sein«, sagte der Mann hinter ihm. Er schien ungefähr im selben Alter, war sonnengebräunt und durchtrainiert. Er schaute Maja mit azurblauen Augen an und lächelte.
    »Er lernt’s einfach nie.«
    »Ich entspann mich doch, mehr geht nicht!«, knurrte der Mann im Hawaiihemd, ohne den Ball aus den Augen zu lassen. Er führte den Putter vorsichtig zurück und setzte den Ball mit einem kurzen Schlag in Bewegung. Dieser verfehlte die Öffnung eines liegenden Pappbechers nur um Haaresbreite.
    »Scheiße!«, rief er und schwang den Schläger wütend durch die Luft, als wäre er eine Keule.
    »Immer mit der Ruhe. Nächste Woche trainieren wir weiter.«
    »Also bis dann, Karl.« Der Mann im Hawaiihemd klopfte dem anderen zum Abschied auf die Schulter. Dieser grüßte Maja flüchtig und schlenderte den Gang hinunter. Sie schaute hinter ihm her.
    »Der Schwertkampf des zivilisierten Mannes.«
    »Bitte?«, fragte Maja und drehte sich um.
    »Golf«, entgegnete der Mann im Hawaiihemd. »Spielen Sie auch?«
    »Nicht mehr.«
    »Thorbjørn Larsen«, stellte er sich vor und gab ihr die Hand. »Und Sie müssen Maja Holm sein.
    Sie nickte und lächelte. Seine Hand fühlte sich klamm an.
    Oberarzt Thorbjørn Larsen hob Pappbecher und Ball vom Boden auf. »Hier geht’s lang«, sagte er und führte sie in sein Büro.
     
    Bücher und Zeitschriften lagen im ganzen Raum verstreut, der am ehesten wie das Hinterzimmer eines Antiquariats aussah. Schiefe Stapel des Journal of Sexual Aggression türmten sich neben der Schiebetür, die zu einem Innenhofgarten führte. Nur die beiden roten Designer-Sessel am Ende des Raumes waren von der allgemeinen Unordnung ausgenommen und hatten freie Sitzflächen.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte Larsen und zeigte auf den einen Sessel.
    »Danke, aber ich fürchte, wenn ich mich da draufsetze, komme ich nicht wieder hoch«, entgegnete Maja und zeigte auf ihren Bauch. »Haben Sie vielleicht irgendeinen Stuhl?«
    »Aber natürlich.« Larsen räumte einen Bücherstapel beiseite und rollte einen leicht ramponierten Schreibtischstuhl heran.
    »Danke«, sagte sie und nahm Platz. Der Stuhl knirschte bedrohlich, hielt ihrem Gewicht aber stand. Sie ließ ihren Blick durch das Büro wandern. An der hinteren Wand hing ein eingerahmtes Filmplakat von Einer flog übers Kuckucksnest. Es zeigte einen manisch grinsenden Jack Nicholson.
    »Ärztehumor«, sagte Larsen und zuckte die Schultern. »Das habe ich von meinem Kollegen zum Dienstjubiläum bekommen.«
    Maja lächelte verhalten.
    Larsen ließ sich schwer in den Sessel sinken. »Sie wollen also Skouboes Praxis übernehmen, wenn ich ihn richtig verstanden habe.«
    »Fürs Erste ist es eine Partnerschaft.«
    »Aber

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