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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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eintausendfünfhundert Akten zu überprüfen. Sie hatte einen trockenen Hals und hätte alles um ein Glas Wasser gegeben. Sie massierte ihre rechte Schulter und spürte, dass ihr ganzer Rücken schmerzte. Sie hatte fünf Akten aussortiert. Vier von ihnen gehörten zu Lasse und seiner Familie. Die letzte zu einem Mann, der dem Datum zufolge bis zu Lasses Tod im selben Haus gewohnt hatte. Er war zweiundvierzig Jahre alt und Frührentner. Die vielen durchgestrichenen Adressen belegten, dass er zuvor häufig umgezogen war. Doch immer innerhalb desselben Bezirks. Im Lauf der Jahre war er wegen verschiedener Kleinigkeiten in Behandlung gewesen, aber das war es nicht, was ihr Interesse weckte. Unten auf der Seite waren die Antidepressiva aufgelistet, die ihm wegen seiner Schizophrenie verschrieben worden waren. Sie blätterte weiter. Skouboe hatte ein paar schwer zu entziffernde Eintragungen gemacht, die seine Überweisung in die Psychiatrische Klinik betrafen. Das lag mehr als zehn Jahre zurück. Es wunderte sie, dass Claus bei seinen Recherchen nicht auf diesen Mann gestoßen war. Wenn sie wieder oben in ihrer Praxis war, wollte sie in der Datenbank nach der Personenkennziffer des Mannes suchen. In erster Linie, um zu überprüfen, ob er immer noch zu ihren Patienten gehörte, aber natürlich auch um weitere Informationen über ihn einzuziehen. Sie schloss die Patientenakte und las seinen Namen auf der Vorderseite. Er hieß Søren Rohde.
    Der Name sagte ihr nichts.
    »Maja?«
    Sie zuckte zusammen.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte Skouboe, der lächelnd in der Türöffnung stand.
    »Oh, mein Gott, jetzt hätte mich fast der Schlag getroffen.« Sie lehnte sich gegen den Archivschrank und versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen.
    Skouboe kam zu ihr und tätschelte ihre Schulter. »Tut mir leid. Was tust du hier unten? Der junge Polizist sucht nach dir.«
    »Ich komme jetzt rauf. Ist er schon völlig mit den Nerven fertig?«
    »Ich glaube nicht. Er hat gesagt, dass sie ihren Personenschutz für dich eingestellt hätten und er wieder aufs Revier gerufen worden sei. Er hat versucht, dich auf dem Handy zu erreichen.«
    Sie tastete in ihrer Hosentasche nach dem Handy, bis ihr einfiel, dass sie es im Behandlungszimmer vergessen hatte.
    »Gut zu wissen, dass die Gefahr vorüber ist«, sagte Skouboe und lächelte.
    »Absolut«, sagte sie, klang aber nicht wirklich überzeugend. Der Schreck saß ihr immer noch in den Gliedern.
    »Ich kann dich nach Hause fahren, wenn du willst.«
    »Danke, aber das ist wirklich nicht nötig«, sagte sie und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps. »Sag mal, kannst du dich an den da erinnern?« Sie gab ihm die Patientenakte.
    Skouboe zog seine Lesebrille aus der Brusttasche. Er warf einen Blick auf den Namen, ehe er sie öffnete und die Seiten überflog.
    »Nein, im Moment nicht. Aber vielleicht fällt mir was ein, wenn ich näher darüber nachdenke«, fuhr er fort und ließ den Zeigefinger an seiner Schläfe kreisen. »Worum geht’s denn?«
    Sie zögerte, schließlich wollte sie niemanden grundlos in Verdacht bringen. Dass der Mann schizophren war, machte ihn nicht automatisch zum Verbrecher.
    Skouboe riss die Augen auf. »Ach so, du glaubst, dass er etwas mit …«
    Sie schüttelte rasch den Kopf. »Nein, nein, ich versuche nur, mir einen Überblick zu verschaffen.«
    »Das schadet nie.« Er warf einen erneuten Blick auf die Vorderseite. »Søren … Rohde.« Er überlegte kurz, ehe er den Kopf schüttelte. »Nein, nichts zu machen.«
    Er gab ihr die Akte zurück. »Sag mir Bescheid, wenn ich sonst noch was für dich tun kann.«
    »Danke, das mache ich«, entgegnete sie.
     
    Als sie das Erdgeschoss erreichten, umarmte Skouboe sie flüchtig und stieg aus dem Lift. Maja drückte auf den Knopf und fuhr allein bis zur Praxis. Am Empfang war es vollkommen still. Die letzten Mitarbeiter waren nach Hause gefahren. Sie schaute auf die Uhr. Es war Viertel vor vier. Die Suche im Archiv hatte viel zu lange gedauert. Sie ging in die Küche und holte sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Nachdem sie in ihr Büro zurückgekehrt war, setzte sie sich an den Computer und gab Søren Rohdes Personenkennziffer ein. Die elektronische Patientenakte wurde sofort auf dem Bildschirm sichtbar. Sie enthielt dieselben Informationen, die sie bereits in der handschriftlichen Akte gelesen hatte. Offenbar war er seit mehreren Jahren nicht mehr in Behandlung gewesen. Die

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