Die Geisha - Memoirs of a Geisha
wie ein U an den Wänden eines großen Tatami-Raums sitzen und ihre Eßtabletts auf kleinen Tischchen vor sich stehen haben. Die Geishas, die sie dabei unterhalten sollen, bewegen sich in der Mitte des Raums – innerhalb des U, das von den Tabletts gebildet wird – und verbringen jeweils nur ein paar Minuten bei jedem Gast, mit dem sie ein wenig plaudern, während sie ihm kniend Sake einschenken. Es war wirklich kein aufregendes Ereignis, und als Novizin war meine Rolle noch weniger aufregend als Mamehas. Wie ein Schatten hielt ich mich an ihrer Seite. Jedesmal, wenn sie sich vorstellte, tat ich das gleiche, verneigte mich tief und sagte: »Mein Name ist Sayuri. Ich bin Novizin und bitte um Ihre Nachricht.« Danach sagte ich nichts mehr, und niemand sagte etwas zu mir.
Als das Bankett vorüber war, wurden die Türen an einem Ende des Saales aufgeschoben, weil Mameha und eine andere Geisha einen Tanz aufführten, der Chi-yo no Tomo –»Ewige Freundschaft«– genannt wird. Es ist ein wunderschöner Tanz, der von zwei hingebungsvollen Frauen handelt, die einander nach langer Zeit wiedersehen. Die meisten Männer bohrten sich dabei in den Zähnen – es waren Manager eines großen Unternehmens, das Gummiventile oder so etwas Ähnliches herstellte, Geschäftsleute, die zu ihrem Jahresbankett in Kyoto zusammengekommen waren. Ich glaube, nicht ein einziger von ihnen hätte den Unterschied zwischen Tanz und Schlafwandeln erkennen können. Ich dagegen war hingerissen. Die Geishas von Gion benutzen beim Tanz immer einen Fächer, und vor allem Mameha beherrschte die Bewegungen meisterhaft. Anfangs schloß sie den Fächer und bewegte ihn, während ihr Körper einen Kreis beschrieb, ganz sachte aus dem Handgelenk: Damit stellte sie einen Bachlauf dar, der an ihr vorüberfloß. Dann öffnete sie den Fächer, und er wurde eine Schale, die ihre Partnerin mit Sake füllte und ihr zum Trinken reichte. Wie gesagt, der Tanz war bezaubernd, und auch die Musik, die von einer schrecklich dünnen Geisha mit kleinen, wäßrigen Augen auf dem Shamisen gespielt wurde.
Da ein offizielles Bankett im allgemeinen nicht länger als zwei Stunden dauert, waren wir gegen acht Uhr wieder auf der Straße. Gerade wollte ich mich zu Mameha umdrehen, um ihr zu danken und ihr gute Nacht zu sagen, da erklärte sie: »Nun ja, ich hatte erwogen, dich jetzt nach Hause ins Bett zu schicken, aber du scheinst mir noch voller Energie zu sein. Ich gehe jetzt ins Teehaus Komoriya. Begleite mich, damit du einen ersten Eindruck von einer zwanglosen Party bekommst. Wir sollten dich wirklich so schnell wie möglich überall herumzeigen.«
Da ich kaum antworten konnte, ich sei zu müde, schluckte ich meine Gefühle hinunter und folgte ihr.
Die Party, erklärte sie mir unterwegs, werde von dem Mann gegeben, der das Nationaltheater in Tokyo leite. Er kenne alle großen Geishas aus nahezu jedem Geishaviertel von Japan, und obwohl er vermutlich äußerst freundlich sein werde, wenn Mameha mich ihm vorstelle, solle ich nicht von ihm erwarten, daß er viel rede. Ich solle nur darauf achten, immer hübsch und aufmerksam zu sein. »Du mußt unbedingt dafür sorgen, daß nichts passiert, was dich schlecht aussehen läßt«, warnte sie mich.
Als wir das Teehaus betraten, wurden wir von einer Dienerin in ein Zimmer im ersten Stock geführt. Als Mameha niederkniete und die Tür aufschob, wagte ich kaum einen Blick hineinzuwerfen, sah aber dennoch sieben bis acht Männer auf Kissen und etwa vier Geishas um einen Tisch herumsitzen. Wir verneigten uns, gingen hinein und knieten uns dann auf die Matten, um die Tür hinter uns zu schließen – so hat man als Geisha einen Raum zu betreten. Zuerst grüßten wir die anderen Geishas, wie mich Mameha angewiesen hatte, dann den Gastgeber an einer Ecke des Tisches und anschließend die übrigen Gäste.
»Mameha-san«, sagte eine der Geishas, »du bist gerade rechtzeitig gekommen, um uns die Geschichte von Konda-san, dem Perückenmacher, zu erzählen!«
»O Himmel, ich weiß nicht, ob ich mich daran erinnern kann«, gab Mameha zurück, und alle lachten. Ich allein hatte keine Ahnung, worin der Witz lag. Mameha führte mich um den Tisch herum und kniete neben dem Theaterdirektor nieder. Ich folgte ihr und nahm an ihrer Seite Platz.
»Direktor, bitte gestatten Sie mir, Ihnen meine neue jüngere Schwester vorzustellen«, sagte sie zu ihm.
Das war für mich das Stichwort, mich zu verneigen, meinen Namen zu nennen, den Direktor um
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