Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Schwester Sayuri.«
Sie haben sicher von dem berühmten Iwamura Ken gehört, dem Gründer von Iwamura Electric. Und vermutlich haben Sie auch von Nobu Toshikazu gehört. In ganz Japan gab es wohl nirgends zwei Geschäftspartner, die so berühmt waren wie diese beiden. Sie waren wie ein Baum und seine Wurzeln, oder wie ein Tempel und das Tor, das zu ihm führt. Selbst ich als vierzehnjähriges Mädchen hatte von ihnen gehört. Aber keine Sekunde hätte ich mir träumen lassen, daß Iwamura Ken der Mann sein könnte, den ich am Ufer des Shirakawa-Baches getroffen hatte! Nun gut, ich ließ mich auf die Knie nieder, verneigte mich vor ihnen und sprach die üblichen Worte, mit denen ich sie um Nachsicht bat. Danach setzte ich mich zwischen die beiden. Nobu begann ein Gespräch mit einem Mann neben ihm, während der Direktor auf meiner anderen Seite nur dasaß und eine leere Teetasse, die auf einem Tablett vor ihm stand, umklammerte. Mameha begann mit ihm zu reden, und ich griff nach einer kleinen Teekanne und hielt meinen Ärmel aus dem Weg, um ihm einzuschenken. Zu meiner Verwunderung wanderte der Blick des Direktors zu meinem Arm. Natürlich hätte ich gern selbst gesehen, was er sah. Vielleicht kam es von dem Dämmerlicht in der Festhalle, aber die Unterseite meines Armes schien zu schimmern wie eine glänzende Perle und war von einer wunderschönen Elfenbeinfarbe. Kein Teil meines Körpers war mir jemals so schön vorgekommen. Überdeutlich war ich mir bewußt, daß der Direktor wie gebannt auf meinen Arm starrte. Und ich dachte nicht daran, ihn seinem Blick zu entziehen. Dann verstummte Mameha plötzlich. Mir schien, als hätte sie innegehalten, weil der Direktor meinen Arm betrachtete, statt ihr zuzuhören. Dann jedoch merkte ich, was der eigentliche Grund dafür war.
Die Teekanne war leer! Und war schon leer gewesen, als ich sie zur Hand nahm.
Nur einen Moment zuvor war ich mir noch strahlend schön vorgekommen, jetzt murmelte ich eine Entschuldigung und stellte die Teekanne hastig ab. Mameha lachte. »Da sehen Sie, wie entschlossen dieses Mädchen ist, Direktor«, sagte sie. »Wäre noch ein einziger Tropfen Tee in der Kanne gewesen, so hätte Sayuri ihn herausgeholt.«
»Das ist wirklich ein schöner Kimono, den deine jüngere Schwester trägt, Mameha«, sagte der Direktor. »Ist es möglich, daß ich ihn aus deiner Lehrzeit kenne?«
Hätte ich bisher noch daran gezweifelt, daß dieser Mann wirklich der Direktor war, dann waren die Zweifel beseitigt, sobald ich die vertraute Freundlichkeit in seiner Stimme vernahm.
»Es wäre möglich«, antwortete Mameha. »Aber der Direktor hat mich im Laufe der Jahre in so vielen verschiedenen Kimonos gesehen, daß ich mir nicht vorstellen kann, wie er sich an alle erinnern will.«
»Nun, ich bin nicht anders als andere Männer. Schönheit macht großen Eindruck auf mich. Diese Sumo-Ringer kann ich nicht auseinanderhalten.«
Mameha beugte sich vor und flüsterte mir zu: »In Wirklichkeit meint der Direktor damit, daß er Sumo nicht besonders schätzt.«
»Also, Mameha, wenn du versuchen willst, mir Ärger mit Nobu zu machen…«
»Aber Direktor, Nobu-san weiß schon seit Jahren, was Sie von Sumo halten.«
»Dennoch…«, gab er zurück. »Bist du zum erstenmal beim Sumo, Sayuri?«
Ich hatte auf einen Vorwand gewartet, um mit ihm zu sprechen, aber bevor ich auch nur Atem holen konnte, zuckten wir alle zusammen, weil ein ungeheures Dröhnen den großen Bau erzittern ließ. Wir drehten uns um, und die Menge verstummte, aber es war nichts weiter als der eine riesige Torflügel, der geschlossen wurde. Gleich darauf hörte ich Angeln knirschen und sah, wie der andere Torflügel, von zwei Ringern geschoben, einen Halbkreis beschrieb. Nobu hatte den Blick von mir abgewandt. Ich konnte nicht widerstehen und betrachtete die schrecklichen Verbrennungen auf seiner einen Gesichtshälfte, dem Hals und dem verstümmelten Ohr. Dann sah ich, daß sein Jackenärmel leer war. Bis dahin war ich so beschäftigt gewesen, daß ich das übersehen hatte; er war hochgeschlagen und mit einer langen Silbernadel an der Schulter festgesteckt worden.
Wenn Sie es nicht schon erraten haben, kann ich es Ihnen ruhig erzählen: Nobu war als junger Leutnant zur See bei einem Bombenangriff vor Seoul im Jahre 1910, als Korea von Japan annektiert wurde, schwer verwundet worden. Als ich ihn kennenlernte, wußte ich nichts von seinem Heldentum, obwohl die Geschichte in ganz Japan bekannt war. Hätte er
Weitere Kostenlose Bücher