Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
Vom Netzwerk:
sich nicht mit dem Direktor zusammengetan und wäre schließlich Präsident von Iwamura Electric geworden, wäre er als Kriegsheld vermutlich vergessen worden. So aber machten seine gräßlichen Verletzungen die Geschichte seines Erfolges um so bemerkenswerter, und die beiden wurden fast immer in einem Atemzug genannt.
    Ich weiß nicht viel über Geschichte, denn in unserer kleinen Schule wurden nur die Künste gelehrt, aber ich glaube, das japanische Kaiserreich sicherte sich gegen Ende des russisch-japanischen Krieges die Kontrolle über Korea und beschloß ein paar Jahre später, Korea seinem wachsenden Machtgefüge einzuverleiben. Bestimmt waren die Koreaner darüber nicht sehr glücklich. Nobu ging als Teil einer kleinen Streitmacht dorthin, um für eine Stabilisierung der Lage zu sorgen. Eines Nachmittags begleitete er den befehlshabenden Offizier bei einem Besuch in einem Dorf bei Seoul. Auf dem Rückweg zu der Stelle, wo sie ihre Pferde festgebunden hatten, geriet die Patrouille unter Beschuß. Als sie das gräßliche Pfeifen einer näher kommenden Granate hörten, versuchte der befehlshabende Offizier in einen Graben zu steigen, aber er war ein alter Mann und bewegte sich im Schneckentempo. Sekunden bevor die Granate einschlug, versuchte er noch immer einen Halt zu finden. Um ihn zu retten, warf sich Nobu über den Offizier, aber das nahm ihm der Alte übel und wollte wieder hinausklettern. Mit einiger Anstrengung hob er den Kopf; Nobu versuchte ihn hinunterzudrücken, aber die Granate schlug ein, tötete den Offizier und fügte Nobu schwere Verletzungen zu. Bei einer späteren Operation verlor Nobu den linken Arm über dem Ellbogen.
    Als ich den hochgesteckten Ärmel zum erstenmal sah, wandte ich vor Schreck unwillkürlich den Blick ab. Ich hatte noch nie einen Menschen gesehen, der eine seiner Gliedmaßen verloren hatte. Ich hatte nur einmal mitbekommen, wie Tanaka sich eines Morgens beim Fischschuppen die Fingerkuppe abschnitt. In Nobus Fall hielten viele Leute den fehlenden Arm für das kleinere Übel, denn seine Haut war eine einzige, riesige Wunde. Es ist schwer zu beschreiben, wie er aussah, und es wäre grausam für mich, es auch nur zu versuchen. Also werde ich einfach wiederholen, was ich eine andere Geisha eines Tages über ihn sagen hörte: »Jedesmal, wenn ich sein Gesicht sehe, denke ich an eine süße Kartoffel, die im Backofen Blasen geworfen hat.«
    Als sich das riesige Tor geschlossen hatte, wandte ich mich wieder zum Direktor zurück, um ihm zu antworten. Als Neuling durfte ich, wenn ich wollte, so still dasitzen wie ein Blumenarrangement, aber ich war fest entschlossen, mir diese Chance nicht entgehen zu lassen. Und wenn ich auch nur einen so kleinen Eindruck bei ihm hinterließ wie ein Kinderfuß auf einem staubigen Fußboden, wäre das wenigstens ein Anfang.
    »Der Direktor fragte, ob ich zum erstenmal beim Sumo bin«, begann ich. »Es ist tatsächlich das erstemal, und ich wäre überaus dankbar für alles, was mir der Direktor beim Zuschauen freundlicherweise erklären würde.«
    »Wenn du wissen willst, was da vorgeht«, sagte Nobu, »solltest du dich lieber an mich halten. Wie heißt du eigentlich, Kleine? Bei dem Lärm, der hier herrscht, habe ich’s nicht richtig verstanden.«
    Widerstrebend wie ein hungriges Kind von einem vollen Teller wandte ich mich vom Direktor ab.
    »Ich heiße Sayuri, Herr«, antwortete ich.
    »Du bist doch Mamehas jüngere Schwester, nicht wahr? Warum heißt du denn nicht ›Mame‹-irgendwas?« fuhr Nobu fort. »Gehört das nicht zu euren törichten Traditionen?«
    »Ja, Herr. Aber der Wahrsager hat erklärt, alle Namen mit ›Mame‹ seien ungünstig für mich.«
    »Der Wahrsager!« sagte Nobu verächtlich. »Hat er den Namen für dich gewählt?«
    »Ich habe den Namen für sie gewählt«, erklärte Mameha. »Der Wahrsager wählt keine Namen; er sagt uns nur, ob sie akzeptabel sind.«
    »Eines Tages«, gab Nobu zurück, »werdet ihr erwachsen werden und aufhören, auf Dummköpfe zu hören.«
    »Na, na, Nobu-san«, mahnte der Direktor. »Jeder, der dich reden hört, müßte dich für den modernsten Menschen der Nation halten. Dagegen kenne ich keinen einzigen, der fester an das Schicksal glaubt als du.«
    »Jeder Mensch hat sein Schicksal. Aber wer muß zu einem Wahrsager gehen, um es zu erfahren? Gehe ich zu einem Koch, um herauszufinden, ob ich hungrig bin?« sagte Nobu. »Jedenfalls ist Sayuri ein sehr hübscher Name – obwohl hübsche Namen und

Weitere Kostenlose Bücher