Die Geisha - Memoirs of a Geisha
hübsche Mädchen nicht immer ein Gespann ergeben.«
Allmählich fragte ich mich, ob seine nächste Bemerkung etwa so lauten würde wie: »Was für eine häßliche jüngere Schwester du dir doch genommen hast, Mameha!« Oder so ähnlich. Zu meiner Erleichterung sagte er jedoch:
»Dies ist allerdings ein Fall, in dem Name und Mädchen zueinander passen. Ich glaube, sie ist sogar noch hübscher als du, Mameha.«
»Aber Nobu-san! Keine Frau hört gern, daß sie nicht die Schönste im ganzen Land ist!«
»Vor allem du, eh? Nun, du solltest dich lieber daran gewöhnen. Sie hat besonders schöne Augen. Dreh dich zu mir um, Sayuri, damit ich sie mir noch einmal ansehen kann.«
Da Nobu meine Augen sehen wollte, konnte ich wohl nicht gut zu Boden blicken. Aber ohne dreist zu wirken, konnte ich ihm auch nicht direkt ins Gesicht sehen. Nachdem mein Blick ein wenig herumgeirrt war, fixierte ich schließlich sein Kinn. Hätte ich meinen Augen befehlen können, sie sollten aufhören zu sehen, so hätte ich das wirklich getan, denn Nobus Züge wirkten wie eine schlecht ausgearbeitete Tonskulptur. Sie dürfen nicht vergessen, daß ich damals noch nichts von der Tragödie wußte, die zu seiner Verstümmelung geführt hatte. Wenn ich mich fragte, was ihm wohl zugestoßen sei, überkam mich dieses schreckliche Gefühl der Schwere.
»Deine Augen haben tatsächlich einen ganz seltsamen Schimmer«, stellte er fest.
In diesem Moment ging an der Außenwand der Halle eine kleine Tür auf, und ein Mann kam herein, der einen außergewöhnlich formellen Kimono und auf dem Kopf eine hohe schwarze Mütze trug, so daß er aussah, als käme er direkt aus einem Gemälde des Kaiserhofs. Mit einem Gefolge von Ringern, so riesig, daß sie sich unter der Tür hindurchducken mußten, schritt er langsam den Mittelgang hinab.
»Was weißt du über Sumo, kleines Mädchen?« fragte mich Nobu.
»Nur, daß die Ringer so riesig wie Wale sind, Herr«, antwortete ich. »In Gion arbeitet ein Mann, der früher einmal Sumo-Ringer war.«
»Das muß Awajiumi sein. Er sitzt da drüben, hast du gesehen?« Nobu zeigte zu einer anderen Reihe hinüber, wo Awajiumi saß und über irgend etwas lachte. Neben ihm kniete Korin. Anscheinend hatte sie mich entdeckt, denn sie lächelte ein wenig und beugte sich zu Awajiumi hinüber, um ihm etwas zu sagen, woraufhin er ebenfalls in meine Richtung blickte.
»Er war nie ein großer Ringer«, sagte Nobu. »Am liebsten rammte er seine Gegner mit der Schulter. Es klappte nie, aber der dumme Kerl brach sich mehrmals das Schlüsselbein.«
Inzwischen hatten die Ringer einen Kreis um das Podium gebildet. Einer nach dem anderen wurde mit Namen aufgerufen, stieg hinauf und reihte sich in einen weiteren Kreis ein, der dem Publikum zugekehrt war. Später, als sie wieder aus der Halle auszogen, damit die Ringer der gegnerischen Seite einziehen konnten, sagte Nobu zu mir:
»Dieses Seil, das auf dem Boden einen Kreis bildet, markiert den Ring, Sayuri. Der erste Ringer, der darüber hinausgeschoben wird oder der den Boden mit etwas anderem als seinen Füßen berührt, hat verloren. Das mag einfach klingen, aber wie würde es dir gefallen, wenn du versuchen solltest, einen von diesen Giganten über das Seil hinauszuschieben?«
»Ich könnte mich mit Holzklappern an sie heranschleichen«, sagte ich, »und einfach hoffen, sie so sehr zu erschrecken, daß sie von selbst rausspringen.«
»Im Ernst«, mahnte Nobu.
Ich gebe nicht vor, daß das eine besonders witzige Antwort war, aber es war einer meiner ersten Versuche, mit einem Mann zu scherzen. Ich war so verlegen, daß mir die Worte fehlten. Da beugte sich der Direktor zu mir herüber.
»Nobu-san macht niemals Witze über Sumo«, erklärte er leise.
»Über die drei Dinge im Leben mache ich niemals Witze«, sagte Nobu. »Über Sumo, über Geschäfte und über den Krieg.«
»Meine Güte, ich glaube, das war auch eine Art Scherz«, mischte sich Mameha ein. »Bedeutet das, daß Sie sich selbst widersprechen?«
»Wenn du eine Schlacht beobachten oder auch mitten in einer Geschäftsbesprechung sitzen würdest, meinst du wirklich, du verstündest, was da vorgeht?« fragte mich Nobu.
Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, entnahm seinem Ton jedoch, daß er von mir ein Nein erwartete. »Ganz und gar nicht«, antwortete ich.
»Genau. Ebensowenig kannst du erwarten, daß du verstehst, was sich beim Sumo abspielt. Also kannst du über Mamehas kleine Scherzchen lachen oder mir zuhören und
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