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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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weiß, es mag eine törichte Frage sein«, sagte ich, »aber wie kann ein Ringer, der so klein ist wie Miyagiyama, der größte sein?« Wenn Sie dabei mein Gesicht gesehen hätten, Sie hätten bestimmt gedacht, es gebe kein Thema, an dem ich stärker interessiert sei. Es kam mir albern vor, so zu tun, als wäre ich fasziniert von etwas so Trivialem, aber niemand, der uns beobachtete, konnte ahnen, daß wir nicht über die tiefsten Geheimnisse unserer Seele sprachen. Voll Genugtuung nahm ich zur Kenntnis, daß Hatsumomo in diesem Moment den Kopf zu mir herumwandte.
    »Miyagiyama sieht nur klein aus, weil die anderen so viel dicker sind«, erklärte Nobu. »Aber er ist sehr eitel, was seinen Körperbau betrifft. Vor ein paar Jahren wurden seine Größe und sein Gewicht von der Presse absolut zutreffend angegeben, und dennoch war er tödlich beleidigt und ließ sich von einem Freund ein Brett über den Kopf ziehen, stopfte sich mit Süßkartoffeln und Wasser voll und begab sich anschließend zu den Zeitungsredakteuren, um ihnen zu beweisen, daß sie falsch berichtet hatten.«
    Ich hätte vermutlich über alles gelacht, was Nobu sagte – für Hatsumomo, meine ich. Aber es war tatsächlich komisch, mir vorzustellen, wie Miyagiyama in Erwartung des Bretterhiebs die Augen zukniff. Also behielt ich das Bild im Kopf und lachte so laut heraus, wie ich es wagte, und Nobu fiel sogleich in mein Gelächter ein. Auf Hatsumomo mußten wir wie die besten Freunde gewirkt haben, denn ich sah, wie sie begeistert in die Hände klatschte.
    Kurz darauf verfiel ich auf den Gedanken, mir vorzustellen, Nobu sei der Direktor. Jedesmal, wenn er etwas sagte, überhörte ich seine Schroffheit und versuchte mir statt dessen Freundlichkeit vorzustellen. Und ganz allmählich gelang es mir auch, auf seine Lippen zu schauen und die Verfärbungen und Narben dabei zu übersehen und mir fest einzubilden, es wären die Lippen des Direktors, und jede Nuance seiner Stimme sei Ausdruck seiner Gefühle für mich. Einmal redete ich mir sogar ein, gar nicht in der Festhalle zu sein, sondern in einem stillen Zimmer neben dem Direktor zu knien. Solange ich denken konnte, hatte ich keine so wunderbare Seligkeit empfunden. Wie ein Ball, der, wenn er in die Luft geworfen wird, auf dem Scheitelpunkt stillzustehen scheint, bevor er fällt, glaubte ich mich reglos in einem Zustand stiller Zeitlosigkeit geborgen. Wenn ich mich in der Halle umsah, entdeckte ich nur die Schönheit ihrer riesigen Holzbalken und roch den Duft süßer Reiskuchen. Ich hoffte, dieser Zustand werde ewig dauern, aber dann machte ich leichtsinnigerweise eine Bemerkung, an die ich mich nicht mehr erinnere, und Nobu antwortete:
    »Was redest du da? Nur ein Dummkopf könnte eine derartige Ignoranz an den Tag legen!«
    Mein Lächeln erlosch, bevor ich es verhindern konnte – fast so, als hätte jemand die Fäden durchgeschnitten. Nobu sah mir offen in die Augen. Gewiß, Hatsumomo war weit entfernt, aber ich war sicher, daß sie uns beobachtete. Dann fiel mir plötzlich etwas ein: Wenn einer Geisha oder einer jungen Lerngeisha vor einem Mann die Augen feucht wurden – würde nicht nahezu jeder das für Verliebtheit halten? Ich hätte auf seine unhöfliche Bemerkung mit einer Entschuldigung reagieren können, doch statt dessen versuchte ich mir vorzustellen, es sei der Direktor, der so grob zu mir gewesen war, und sofort begann meine Unterlippe zu zittern. Ich ließ den Kopf hängen und gab mir die größte Mühe, kindlich zu wirken.
    Zu meiner Überraschung fragte Nobu: »Ich habe dich gekränkt, nicht wahr?«
    Es fiel mir nicht schwer, daraufhin theatralisch zu schniefen. Nobu betrachtete mich ziemlich lange und sagte dann: »Du bist ein bezauberndes Mädchen.« Ich war sicher, daß er noch etwas anderes sagen wollte, doch in diesem Moment betrat Miyagiyama die Halle, und die Menge begann zu toben.
    Eine ganze Weile stapften Miyagiyama und der andere Ringer, dessen Name Saiho lautete, auf dem Podium herum, nahmen Salz auf und warfen es in den Ring oder stampften, wie es Sumo-Ringer tun, mit den Füßen. Jedesmal, wenn sie sich duckten und einander anstarrten, erinnerten sie mich an zwei Felsbrocken kurz vor dem Absturz. Miyagiyama schien sich stets ein wenig weiter vorzubeugen als Saiho, der größer und auch weit schwerer war. Wie ich befürchtete, würde der arme Miyagiyama, sobald sie aufeinanderprallten, unweigerlich zurückgedrängt werden; daß irgend jemand Saiho quer durch den Ring tragen

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