Die Geisha - Memoirs of a Geisha
färbte meine Hand rosa – und dabei an Mutter mit ihren kränklich-gelben Augen und den fleischroten Lidrändern zu denken! Ihr dieses Schmuckstück zu schenken kam mir fast so vor, als wollte man einen Dachs in Seide hüllen. Aber ich mußte Mameha natürlich gehorchen.
»Wenn du ihn ihr gibst«, fuhr sie fort, »mußt du besonders liebenswürdig sein und sagen: ›Ich habe wirklich keine Verwendung für einen so kostbaren Stein, und es wäre mir eine Ehre, wenn Sie ihn von mir annehmen könnten, weil ich Ihnen im Lauf der Jahre soviel Ärger verursacht habe.‹ Aber mehr solltest du nicht sagen, sonst wird sie noch denken, du wärst sarkastisch.«
Als ich später in meinem Zimmer saß und Tusche anrührte, um Nobu einen Dankesbrief zu schreiben, wurde meine Stimmung immer düsterer. Wenn mich Mameha um den Rubin gebeten hätte, hätte ich ihn ihr mit Freuden geschenkt! Aber Mutter? Ich mochte Nobu, und es tat mir leid, sein kostbares Geschenk einer solchen Frau zu überlassen. Wäre der Rubin vom Direktor gekommen, hätte ich ihn bestimmt nicht hergeben können. Nun, jedenfalls beendete ich diesen Brief und ging zu Mutter ins Zimmer hinüber, um mit ihr zu sprechen. Sie saß in der matten Beleuchtung an ihrem Tisch, tätschelte ihren Hund und rauchte.
»Was willst du?« fragte sie mich. »Ich will mir gerade eine Kanne Tee kommen lassen.«
»Es tut mir leid, wenn ich Sie störe, Mutter. Doch als Mameha und ich heute nachmittag das Theater verließen, wartete Präsident Nobu Toshikazu auf mich…«
»Auf Mameha-san, meinst du wohl.«
»Ich weiß es nicht, Mutter. Er gab mir dieses Geschenk. Es ist wunderschön, aber ich habe leider keine Verwendung dafür.«
Ich wollte noch sagen, daß es mir eine Ehre wäre, wenn sie das Geschenk annähme, aber Mutter hörte mir nicht zu. Sie legte ihre Pfeife auf den Tisch und nahm mir die Schachtel aus der Hand, bevor ich sie ihr überreichen konnte. Wieder versuchte ich ihr alles zu erklären, aber Mutter kippte die Schachtel einfach um, und der Rubin fiel ihr in die öligen Finger.
»Was ist das?« fragte sie mich.
»Das Geschenk, das mir Präsident Nobu gab. Nobu Toshikazu von Iwamura Electric, meine ich.«
»Glaubst du, ich wüßte nicht, wer Nobu Toshikazu ist?«
Sie erhob sich von ihrem Tisch und ging ans Fenster, wo sie den Papierschirm beiseite schob, um den Rubin in die Strahlen der Spätnachmittagssonne zu halten. Sie tat genau das, was ich auf der Straße getan hatte: Sie drehte und wendete den Edelstein und beobachtete, wie das Funkeln von einer Facette zur anderen sprang. Schließlich schob sie das Fenster wieder zu und kehrte zu mir zurück.
»Du mußt ihn mißverstanden haben. Hat er dich gebeten, ihn Mameha zu geben?«
»Aber Mameha war die ganze Zeit dabei.«
Wie ich sah, glichen Mutters Gedanken einer Kreuzung, die von zu dichtem Verkehr verstopft ist. Sie legte den Rubin auf den Tisch und begann an ihrer Pfeife zu ziehen. Ich sah in jedem Rauchwölkchen einen kleinen, verwirrten Gedanken, der in die Luft entlassen wurde.
Schließlich sagte sie zu mir: »Also zeigt Nobu Toshikazu Interesse an dir. Stimmt’s?«
»Er beehrt mich schon seit einiger Zeit mit Aufmerksamkeit.«
Da legte sie die Pfeife wieder auf den Tisch, als wollte sie sagen, daß unser Gespräch jetzt ein wenig ernsthafter werde. »Ich habe dich nicht so genau beobachtet, wie ich es hätte tun sollen«, sagte sie. »Falls du jemals einen Freund gehabt hast, wäre es jetzt an der Zeit, es mir zu erzählen.«
»Ich habe nie auch nur einen einzigen Freund gehabt, Mutter.«
Ich weiß nicht, ob sie mir das glaubte, aber sie entließ mich. Bisher hatte ich ihr den Rubin noch nicht angeboten, wie Mameha es mir geraten hatte, deswegen überlegte ich, wie ich das Thema anschneiden könnte. Doch als ich einen Blick auf die Tischplatte warf, wo der Edelstein lag, muß sie wohl gedacht haben, ich wolle ihn zurückfordern. Denn ohne mir Zeit für eine Erklärung zu lassen, streckte sie die Hand aus und riß ihn an sich.
Nur wenige Tage danach geschah es dann. Mameha kam in die Okiya, ging mit mir in den Empfangssalon und berichtete mir, das Bieten für meine mizuage habe begonnen. Am Vormittag habe sie die Nachricht von der Herrin des Ichiriki erhalten.
»Ich bin sehr unglücklich über den Termin«, sagte Mameha, »denn ich muß noch heute nachmittag nach Tokyo. Aber du wirst mich hier nicht brauchen. Du wirst es merken, wenn die Gebote in die Höhe gehen, denn dann werden die Dinge in
Weitere Kostenlose Bücher