Die Geisha - Memoirs of a Geisha
erklärt, warum. Ich hätte sicherlich den Mund halten oder dem Doktor sogar danken sollen, daß er so rücksichtsvoll war und Handtücher ausbreitete, statt dessen stieß ich jedoch hervor: »Was für Blut?« Weil meine Kehle so trocken war, geriet meine Stimme dabei ein wenig ins Quietschen. Sofort begann Dr. Krebs mir zu erklären, daß das Hymen – was immer das sein mochte – sehr reich an Blutgefäßen sei… und dies, und das, und jenes… Ich glaube, ich war so bestürzt, als ich das alles hörte, daß ich mich ein wenig von dem Futon aufrichtete, denn der Doktor legte mir die Hand auf die Schulter und drückte mich sanft wieder hinunter.
So manchem Mann wäre bei unserem Gespräch wohl die Lust vergangen, nicht aber dem Doktor. Als er mit seinen Erklärungen fertig war, sagte er: »Heute kann ich dir übrigens schon zum zweitenmal eine Blutprobe abnehmen. Darf ich es dir zeigen?«
Wie mir aufgefallen war, hatte er nicht nur sein ledernes Handköfferchen mitgebracht, sondern dazu einen kleinen Holzkasten. Der Doktor zog einen Schlüsselring aus der Tasche seiner Hose im Schrank und schloß den Kasten auf. Er brachte ihn zu mir herüber und öffnete ihn in der Mitte, so daß eine Art freistehende Vitrine entstand. Auf beiden Seiten befanden sich Regale mit winzigen Phiolen, die mit Korken verschlossen waren und von Riemen an Ort und Stelle gehalten wurden. Auf dem untersten Regal lagen ein paar Instrumente, unter anderem Scheren und Pinzetten, aber der Rest des Kastens war mit diesen Phiolen angefüllt, etwa vierzig bis fünfzig insgesamt. Bis auf ein paar leere auf dem obersten Regal schienen sie alle etwas zu enthalten, aber ich hatte keine Ahnung, was. Erst als der Doktor die Lampe vom Tisch herüberbrachte, sah ich weiße Etiketten auf jeder Phiole, die mit dem Namen verschiedener Geishas beschriftet waren. Ich entdeckte sowohl Mamehas Namen als auch jenen der großen Mamekichi und eine ganze Anzahl vertrauter Namen, darunter den von Hatsumomos Freundin Korin.
»Diese hier«, sagte der Doktor und nahm eine der Phiolen heraus, »ist deine.«
Er hatte den Namen falsch geschrieben, mit einem anderen Schriftzeichen für das »ri« von Sayuri. Doch in der Phiole konnte ich nur ein verschrumpeltes Ding ausmachen, das meiner Ansicht nach einer eingelegten Pflaume glich, obwohl es eher bräunlich als bläulich war. Der Doktor entfernte den Korken und zog das Ding mit der Pinzette heraus.
»Das ist ein Wattebausch, der in dein Blut getaucht wurde«, erklärte er. »Damals, als du dir das Bein verletzt hattest, weißt du noch? Normalerweise bewahre ich das Blut von Patienten nicht auf, aber ich war… sehr stark von dir eingenommen. Nachdem ich diese Probe genommen hatte, beschloß ich, dein mizuage-Pate zu werden. Ich denke, du wirst mir beipflichten, daß es höchst ungewöhnlich ist, nicht nur eine bei deiner mizuage genommene Blutprobe zu besitzen, sondern darüber hinaus eine Probe von dem Schnitt an deinem Bein einige Monate zuvor.«
Während der Doktor begann, mir mehrere andere Phiolen zu zeigen, darunter Mamehas, gab ich mir Mühe, meine Abscheu zu verbergen. Mamehas Probe bestand nicht nur aus einem Wattebausch, sondern außerdem aus einem weißen Stoffetzen, der rostrot eingefärbt und inzwischen ganz steif geworden war. Dr. Krebs schien all diese Proben faszinierend zu finden, ich dagegen… Nun ja, um höflich zu sein, wandte ich zwar mein Gesicht in ihre Richtung, doch wenn der Doktor mich nicht ansah, richtete ich den Blick schnell anderswohin.
Endlich machte er den Kasten zu und stellte ihn beiseite, bevor er seine Brille abnahm, zusammenklappte und auf den Tisch legte. Wie ich fürchtete, schien nunmehr der kritische Moment gekommen zu sein, und tatsächlich zwängte Dr. Krebs meine Beine auseinander und ließ sich dazwischen nieder. Mein Herz klopfte, glaube ich, etwa so schnell wie das einer Maus. Als der Doktor den Gürtel seines Schlafrocks löste, schloß ich die Augen und hob die Hand, um meinen Mund damit zu bedecken, überlegte es mir im letzten Moment jedoch anders, weil das vielleicht einen schlechten Eindruck machte, und legte die Hand statt dessen neben meinen Kopf.
Eine Zeitlang wühlte der Doktor mit den Händen herum und verursachte mir genausoviel Unbehagen wie der junge, silberhaarige Doktor einige Wochen zuvor. Dann senkte er sich nieder, bis sein Körper sich unmittelbar über dem meinen befand. Ich bot meine ganze innere Stärke auf, um eine Art mentaler Barriere
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