Die Geisha - Memoirs of a Geisha
die Knie weich, wenn ich sah, wie Yasuda-san mit seinem herrlich geformten Arm sich einen Bissen Schmorfleisch in den sinnlichen Mund schob.
Ich machte meine Runde bei den im Kreis sitzenden Herren, und als ich zu ihm kam und mich vorstellte, sagte er: »Ich hoffe, du wirst mir verzeihen.«
»Verzeihen? Wieso? Was haben Sie getan?« fragte ich ihn.
»Ich war sehr unhöflich«, antwortete er. »Ich habe den ganzen Abend den Blick nicht von dir losreißen können.«
Spontan griff ich in meinem Obi nach dem Kartentäschchen aus Brokat, das ich dort aufbewahrte, zog diskret eine Karte heraus und überreichte sie ihm. Genau wie Geschäftsleute ihre Geschäftskarten, haben die Geishas stets Namenskarten bei sich. Die meine war sehr klein, halb so groß wie eine normale Visitenkarte und aus schwerem Reispapier, auf das in kunstvoller Schönschrift die Wörter »Gion« und »Sayuri« geschrieben standen. Da wir Frühling hatten, war der Hintergrund meiner Karte mit einem bunt gemalten Zweig Pflaumenblüten verziert. Yasuda bewunderte sie einen Moment und schob sie in seine Hemdtasche. Da ich das Gefühl hatte, kein einziges Wort, das wir wechselten, könne so vielsagend sein wie diese kleine Interaktion, verneigte ich mich vor ihm und begab mich zum nächsten Gast.
Von jenem Tag an ließ mich Yasuda-san jede Woche ins Tatematsu-Teehaus bitten, um ihm Gesellschaft zu leisten. Etwa drei Monate nachdem wir uns kennengelernt hatten, schenkte er mir einen Kimono. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, obwohl es kein besonders kostbares Gewand war: Er war aus einer Seide minderer Qualität gewebt und zeigte ein ziemlich gewöhnliches Muster aus Blumen und Schmetterlingen. Er wünschte sich, daß ich ihn bald einmal an einem Abend für ihn tragen möge, und das versprach ich ihm natürlich. Doch als ich den Kimono an jenem Abend in die Okiya mitbrachte, entdeckte Mutter, daß ich ein Päckchen mit nach oben nehmen wollte, und entriß es mir, um sich den Inhalt anzusehen. Als sie den Kimono sah, lächelte sie höhnisch und sagte, sie wolle mich niemals in etwas so Unattraktivem sehen. Am Tag darauf verkaufte sie ihn.
Als ich herausfand, was sie getan hatte, erklärte ich ihr so energisch, wie ich es wagte, der Kimono sei mir geschenkt worden und nicht der Okiya, und sie habe kein Recht gehabt, ihn zu verkaufen.
»Natürlich war es dein Kimono«, entgegnete sie, »aber du bist die Tochter der Okiya. Was der Okiya gehört, gehört dir, und umgekehrt.«
Daraufhin war ich so zornig auf Mutter, daß ich es nicht fertigbrachte, sie anzusehen. Yasuda-san, der mich in dem Kimono sehen wollte, erklärte ich, wegen der Farben und dem Schmetterlingsmotiv dürfe ich ihn nur zu Frühlingsanfang tragen, und da wir inzwischen schon Sommer hatten, würde er noch fast ein Jahr warten müssen, bis er mich darin sehen könne. Er schien sich nicht allzuviel daraus zu machen.
»Was ist schon ein Jahr!« sagte er und musterte mich durchdringend. »Ich würde noch weit länger warten, je nachdem, worauf ich warte.«
Wir waren allein im Zimmer, und Yasuda-san stellte sein Bierglas auf eine Art und Weise auf den Tisch, die mich erröten ließ. Er griff nach meiner Hand, und ich reichte sie ihm in der Erwartung, er werde sie längere Zeit in den seinen halten, bevor er sie wieder freigab. Zu meiner Überraschung jedoch hob er sie rasch an die Lippen und begann die Innenseite meines Handgelenks so leidenschaftlich zu küssen, daß ich es bis in meine Knie spürte. Ich halte mich für eine gehorsame Frau, und bis dahin hatte ich im allgemeinen das getan, was Mutter, Mameha oder – wenn es nicht zu vermeiden war – Hatsumomo mir befahlen, doch im Moment empfand ich eine so seltsame Mischung von Zorn auf Mutter und Sehnsucht nach Yasuda-san, daß ich mir auf der Stelle vornahm, genau das zu tun, was Mutter mir ausdrücklich verboten hatte. Ich bat ihn, sich mit mir um Mitternacht in ebendiesem Zimmer zu treffen, und ließ ihn dort allein.
Kurz vor Mitternacht kam ich wieder ins Teehaus zurück und sprach zunächst mit einer jungen Dienerin. Ich versprach ihr eine unanständig hohe Geldsumme, wenn sie dafür sorgen würde, daß Yasuda-san und ich im oberen Zimmer mindestens eine halbe Stunde lang nicht gestört wurden. Ich wartete bereits dort, als die Dienerin die Tür aufschob und Yasuda-san eintrat. Er warf seinen weichen Filzhut auf die Matten und zog mich auf die Füße, bevor noch die Tür geschlossen war. Meinen Körper an den seinen zu drängen
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