Die Geisha - Memoirs of a Geisha
war so wundervoll wie eine Mahlzeit nach einer langen Fastenzeit. Er konnte sich noch so fest an mich drücken, ich erwiderte den Druck. Irgendwie war ich überhaupt nicht schockiert, als ich spürte, wie geschickt seine Hände darin waren, sich durch die Kleiderschichten bis auf meine nackte Haut durchzuarbeiten. Ich will nicht behaupten, daß ich keinen jener tölpelhaften Momente erlebte, die ich vom General gewohnt war, aber ich nahm sie nicht auf dieselbe Art wahr. Meine Begegnungen mit dem General erinnerten mich an meine Kinderzeit, als ich versuchte, auf einen Baum zu klettern und ein ganz bestimmtes Blatt weit oben zu pflücken. Das Ganze erforderte vor allem vorsichtige Bewegungen und Durchhaltevermögen, bis ich schließlich mein Ziel erreichte. Bei Yasuda-san dagegen fühlte ich mich wie ein Kind, das fröhlich einen Hang hinabrennt. Irgendwann später, als wir erschöpft auf den Matten lagen, schob ich seinen Hemdzipfel beiseite und legte ihm die Hand auf den Bauch, um seinen Atem zu spüren. Noch nie im Leben war ich einem anderen Menschen so nahe gewesen, obwohl wir kein einziges Wort gewechselt hatten.
In jenem Moment erkannte ich: Es war eine Sache, für den Doktor oder den General still auf dem Futon zu liegen, doch mit dem Direktor würde es etwas ganz anderes sein.
Wenn sie sich einen danna genommen haben, verändert sich für die meisten Geishas ihr tägliches Leben drastisch; ich dagegen spürte kaum eine Veränderung. Abends machte ich, genau wie in den letzten paar Jahren, noch immer die Runde in Gion. Von Zeit zu Zeit nahm ich nachmittags an Ausflügen teil, unter anderem an ein paar äußerst seltsamen, zum Beispiel einen Mann zu einem Besuch bei seinem Bruder im Krankenhaus zu begleiten. Und was die Veränderungen betraf, die ich eigentlich erwartet hatte – die berühmten Tanzaufführungen, für die mein danna bezahlte, großzügige und reichliche Geschenke von ihm, ja sogar ein oder zwei Tage bezahlten Urlaub –, nun, so etwas gab es bei ihm nicht. Es war genau, wie Mutter gesagt hatte: Soldaten kümmerten sich nicht so um eine Geisha, wie Geschäftsleute und Aristokraten es taten.
In meinem Leben mochte der General nur wenig verändert haben, dagegen bewahrheitete es sich, daß die Verbindung mit ihm für die Okiya schlechthin unbezahlbar war – wenigstens von Mutters Standpunkt aus. Er kam, wie es für dannas üblich ist, für einen großen Teil meiner Ausgaben auf – unter anderem zahlte er meinen Unterricht, meine alljährliche Registrierungsgebühr, meine Arztkosten und… ach, ich weiß nicht, vermutlich sogar meine Socken. Wichtig war aber vor allem, daß sich seine neue Position als Leiter des Heeresversorgungsamtes als genauso profitabel herausstellte, wie Mameha es vorausgesagt hatte, so daß er uns versorgen konnte, wie es keinem anderen danna möglich gewesen wäre. Zum Beispiel, als Tantchen im März 1939 krank wurde: Wir machten uns große Sorgen um sie, und die Ärzte waren keine Hilfe, doch nach einem Anruf beim General kam ein bekannter Arzt aus dem Lazarett in der Kamigyo-Kaserne bei uns vorbei und brachte Tantchen ein Paket mit Medizin, die sie gesund machte. Obwohl der General mich nicht zu Tanzaufführungen nach Tokio schickte oder mir kostbare Steine schenkte, konnte also niemand behaupten, daß unsere Okiya schlecht mit ihm fuhr. Er schickte uns regelmäßig Lieferungen von Tee und Zucker und sogar Schokolade – alles Dinge, die selbst in Gion inzwischen knapp wurden. Und natürlich hatte sich Mutter gründlich geirrt mit ihrer Voraussage, nach einem halben Jahr sei der Krieg vorbei. Wir hätten es damals nicht geglaubt, aber wir hatten noch kaum den Anfang der schweren Jahre erlebt.
In jenem Herbst, in dem der General mein danna wurde, hörte Nobu gänzlich auf, mich zu den Partys einzuladen, auf denen ich ihm so oft Gesellschaft geleistet hatte. Bald mußte ich feststellen, daß er überhaupt nicht mehr ins Ichiriki kam. Ich konnte mir sein Verhalten nicht anders erklären, als daß er mir aus dem Weg gehen wolle. Seufzend stimmte mir die Herrin des Ichiriki zu, daß das wohl der Grund sein müsse. Zu Neujahr schrieb ich Nobu, wie all meinen Kunden, eine Karte, aber er reagierte nicht. Rückblickend fällt es mir leicht zu erzählen, wie viele Monate vergingen, damals jedoch war ich von tiefem Schmerz erfüllt. Ich hatte das Gefühl, einen Mann schlecht behandelt zu haben, der immer freundlich zu mir gewesen war, einen Mann, den ich inzwischen für meinen
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