Die Geisha - Memoirs of a Geisha
dies die Art, wie du deine Jugend zu verschwenden gedenkst? Eine Frau, die wie ein Dummkopf handelt, ist auch ein Dummkopf. Meinst du nicht auch?«
Wenn man einen Stoff zu oft reibt, wird er bald fadenscheinig werden. Nobus Worte hatten so lang an mir gekratzt, daß ich die glänzende Lackfassade, hinter der ich mich auf Mamehas Rat ständig zu verbergen trachtete, nicht länger aufrechthalten konnte. Ich war froh, daß ich im Schatten stand, denn wenn er meinen Kummer mitbekam, würde Nobu bestimmt noch weniger von mir halten. Mein Schweigen schien mich jedoch zu verraten, denn er packte mich an der Schulter und drehte mich ein wenig, bis Licht auf mein Gesicht fiel. Als er mir dann in die Augen sah, stieß er einen langen Seufzer aus, den ich zunächst für Enttäuschung hielt.
»Warum wirkst du soviel älter auf mich, Sayuri?« fragte er nach einem Moment. »Manchmal vergesse ich, daß du noch ein Mädchen bist. Jetzt wirst du mir wieder vorwerfen, daß ich zu hart mit dir umgesprungen bin.«
»Ich kann nicht erwarten, daß Nobu-san sich anders verhält als Nobu-san«, gab ich zurück.
»Enttäuschungen kann ich eben nicht gut verkraften, Sayuri. Das solltest du wissen. Ob du mich nun enttäuscht hast, weil du zu jung bist, oder weil du nicht die Frau bist, für die ich dich gehalten hatte… In jedem Fall hast du mich enttäuscht, nicht wahr?«
»Bitte, Nobu-san, es macht mir angst, wenn Sie so etwas sagen. Ich weiß nicht, ob ich Ihren Maßstäben jemals gerecht werden kann…«
»Was sind das schon für Maßstäbe? Ich erwarte, daß du mit offenen Augen durchs Leben gehst! Wenn du deine Zukunft im Auge behältst, wird jeder Augenblick im Leben zur Chance, dich weiter darauf zuzubewegen. Von einem törichten Mädchen wie Takazuru würde ich eine solche Erkenntnis nicht erwarten, aber…«
»Hat Nobu-san mich nicht den ganzen Abend immer wieder als Dummkopf bezeichnet?«
»Wenn ich wütend bin, solltest du nicht auf das hören, was ich sage, das weißt du.«
»Dann ist Nobu-san also nicht mehr zornig? Dann wird er kommen und mich im Ichiriki-Teehaus besuchen? Oder mich zu sich einladen? Übrigens, auch heute abend habe ich es nicht besonders eilig. Falls Nobu-san mich darum bittet, könnte ich gleich mit ihm hineingehen.«
Inzwischen waren wir um den Häuserblock gewandert und standen wieder vor dem Eingang zum Teehaus. »Aber ich werde dich nicht darum bitten«, erklärte er und schob die Tür auf.
Als ich das hörte, stieß ich unwillkürlich einen großen Seufzer aus, und ich nenne es einen großen Seufzer, weil er viele kleine Seufzer enthielt – einen Seufzer der Enttäuschung, einen der Frustration, einen der Traurigkeit… und ich weiß nicht, was sonst noch alles.
»Ach, Nobu-san«, sagte ich, »es fällt mir manchmal so schwer, Sie zu verstehen.«
»Ich bin aber sehr leicht zu verstehen, Sayuri«, sagte er. »Ich mag es nicht, wenn man mir Dinge unter die Nase hält, die ich nicht haben kann.«
Und bevor ich etwas darauf erwidern konnte, betrat er das Teehaus und schob die Tür hinter sich zu.
27. KAPITEL
Während des Sommers im Jahre 1939 wurde ich so von Engagements, sporadischen Zusammenkünften mit dem General, Tanzaufführungen und so weiter in Atem gehalten, daß ich mich, wenn ich mich morgens von meinem Futon erheben wollte, häufig fühlte wie ein Eimer voll Nägel. Normalerweise gelang es mir am Spätnachmittag, die Erschöpfung zu vergessen, aber ich fragte mich oft genug, wieviel ich mit dieser Schufterei eigentlich verdiente. Im Grunde hatte ich mich damit abgefunden, daß ich das niemals erfahren würde, deswegen war ich ziemlich erstaunt, als Mutter mich eines Nachmittags zu sich befahl und mir erklärte, ich hätte in den vergangenen sechs Monaten mehr verdient als Hatsumomo und Kürbisköpfchen zusammen.
»Und das bedeutet, es wird Zeit, daß ihr die Zimmer tauscht«, fuhr sie fort.
Als ich das hörte, war ich bei weitem nicht so erfreut, wie Sie sich möglicherweise vorstellen. Hatsumomo und ich hatten in den letzten paar Jahren im selben Haus leben können, weil wir uns voneinander fernhielten. Doch ich betrachtete sie als schlafende Tigerin, nicht als besiegte. Hatsumomo würde Mutters Plan mit Sicherheit nicht als »Zimmertausch« empfinden, sondern das Gefühl haben, man hätte ihr das Zimmer weggenommen.
Als ich Mameha an jenem Abend traf, erzählte ich ihr, was Mutter gesagt hatte, und erwähnte auch meine Furcht, das Feuer in Hatsumomo könne wieder
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