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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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entschlossen, das Zimmer nicht ohne das Tagebuch zu verlassen.
    Sie mag den Charakter einer Wasserratte gehabt haben, aber dumm war Hatsumomo nicht. Wäre sie nüchtern gewesen, ich hätte nicht einmal den Versuch gemacht, sie in diesem Moment zu überlisten. In Anbetracht ihres gegenwärtigen Zustands jedoch… Suchend musterte ich die Kleiderberge, die auf dem Boden lagen, die Parfümflaschen und all die anderen Dinge, die sie überall verstreut hatte. Der Wandschrank stand offen, ebenso die winzige Kassette, in der sie ihren Schmuck aufbewahrte. Der Inhalt quoll auf die Matten, als hätte sie früher am Morgen dort gesessen, etwas getrunken und die Stücke anprobiert. Da fiel mir ein Schmuckstück ins Auge, als wäre es der einzige Stern an einem tiefschwarzen Himmel.
    Es war eine Smaragd-Obibrosche – jene, die ich Hatsumomo vor Jahren gestohlen haben sollte, und zwar an jenem Abend, als ich sie und ihren Freund im Dienstbotenzimmer überraschte. Nie hätte ich erwartet, sie wiederzusehen. Also marschierte ich schnurstracks zum Schrank und griff hinein, um sie mir aus den anderen Schmuckstücken, die da herumlagen, herauszugreifen.
    »Eine großartige Idee!« höhnte Hatsumomo. »Nur zu, stiehl mir ein Stück von meinem Schmuck. Ehrlich, das Geld, das du mir dafür wirst zahlen müssen, ist mir weitaus lieber.«
    »Es freut mich ja so sehr, daß es Ihnen nichts ausmacht«, gab ich zurück. »Wieviel werde ich wohl für das hier bezahlen müssen?«
    Damit ging ich zu ihr hinüber und hielt ihr die Brosche unter die Nase. Das strahlende Lächeln, das sie aufgesetzt hatte, wich aus ihrem Gesicht wie die Dunkelheit aus einem Tal, wenn die Sonne aufgeht. In dem Moment, als Hatsumomo wie betäubt dasaß, streckte ich einfach die andere Hand aus und holte mir das Tagebuch zurück.
    Ich hatte keine Ahnung, wie Hatsumomo reagieren würde, aber ich ging zur Tür hinaus und schob sie hinter mir zu. Ich erwog, geradewegs zu Mutter zu gehen und ihr zu zeigen, was ich gefunden hatte, aber das ging natürlich nicht, solange ich das Tagebuch in der Hand hielt. So schnell es ging, öffnete ich die Tür zu dem Wandschrank, in dem die Kimonos für die jeweilige Jahreszeit aufbewahrt wurden, und stopfte das Tagebuch zwischen zwei in Seidenpapier gepackte Gewänder. Das dauerte nur wenige Sekunden, und dennoch kribbelte es mir im Rücken, weil ich ständig befürchtete, Hatsumomo könne ihre Tür öffnen und mich ertappen. Nachdem ich die Schranktür wieder geschlossen hatte, lief ich hastig in mein Zimmer und begann die Schubladen meines Schminktischchens zu öffnen und wieder zu schließen, damit Hatsumomo den Eindruck bekam, ich hätte das Tagebuch dort versteckt.
    Als ich wieder auf den Flur hinaustrat, beobachtete sie mich leicht lächelnd von ihrer Zimmertür aus, als fände sie die Situation belustigend. Ich gab mir Mühe, beunruhigt zu wirken – was mir nicht allzu schwerfiel –, und ging mit der Brosche in Mutters Zimmer, wo ich sie vor ihr auf den Tisch legte. Sie ließ die Zeitschrift sinken, in der sie las, und griff nach dem Schmuck, um ihn zu bewundern.
    »Ein hübsches Stück«, sagte sie, »doch auf dem Schwarzmarkt heutzutage nicht viel wert. Keiner will für derartige Dinge jetzt noch viel Geld bezahlen.«
    »Hatsumomo wird sehr teuer dafür bezahlen müssen, da bin ich sicher«, entgegnete ich. »Erinnern Sie sich an die Brosche, die ich ihr vor Jahren gestohlen haben soll und die meinen Schulden zugerechnet wurde? Das hier ist sie. Ich habe sie soeben neben ihrem Schmuckkasten auf dem Boden gefunden.«
    »Wissen Sie was?« sagte Hatsumomo, die ins Zimmer gekommen war und direkt hinter mir stand. »Ich glaube, Sayuri hat recht. Das ist die Brosche, die ich verloren hatte! Zumindest sieht sie so aus. Ich hätte nie gedacht, daß ich sie noch einmal wiedersehen würde.«
    »O ja, es fällt schwer, Dinge wiederzufinden, wenn man die ganze Zeit betrunken ist«, sagte ich. »Wenn Sie nur einmal gründlich in Ihrem Schmuckkasten nachgesehen hätten!«
    Mutter legte die Brosche auf den Tisch und funkelte Hatsumomo erbost an.
    »Ich habe sie in ihrem Zimmer gefunden«, behauptete Hatsumomo. »Sie hatte sie in ihrem Schminktisch versteckt.«
    »Und was hattest du in ihrem Schminktisch herumzuwühlen?« fragte Mutter.
    »Ich wollte es Ihnen ja nicht sagen, Mutter, aber Sayuri hatte etwas auf ihrem Tisch liegenlassen, das ich für sie verstecken wollte. Ich weiß, ich hätte es Ihnen sofort bringen müssen, aber… Sie

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