Die Geisha - Memoirs of a Geisha
gesagt.«
»Das glaube ich dir nicht. Ihr Geishas seid die verschwiegensten Menschen, die ich kenne. In ganz Gion habe ich nach deinem danna gefragt, und eine nach der anderen tat, als wüßte sie es nicht. Und ich hätte es wohl nie erfahren, wenn ich Michizono nicht gebeten hätte, mir eines Abends Gesellschaft zu leisten, nur wir zwei ganz allein.«
Michizono, damals ungefähr fünfzig, war eine Art Legende in Gion. Sie war nicht schön, konnte aber zuweilen selbst Nobu in gute Laune versetzen – nur durch die Art, wie sie die Nase krauste, wenn sie sich zur Begrüßung verneigte.
»Ich habe Trinkspiele mit ihr gemacht«, fuhr er fort. »Dabei habe ich ununterbrochen gewonnen, bis die arme Michizono sternhagelvoll war. Sie hätte mir alles erzählt.«
»Soviel Mühe!« sagte ich.
»Unsinn! Sie war sehr unterhaltsam – Mühe hat mir da gar nichts gemacht. Aber soll ich dir was sagen? Nachdem ich erfahren habe, daß dein danna ein kleiner Mann in Uniform ist, den niemand bewundert, habe ich den Respekt vor dir verloren.«
»Nobu-san spricht, als hätte ich bei der Wahl meines danna ein Wort mitzureden gehabt. Das einzige, was ich mir je aussuchen darf, ist der Kimono, den ich tragen will. Aber selbst dabei…«
»Weißt du, warum der Mann eine Schreibtischarbeit hat? Weil man ihm nichts Wichtiges anvertrauen kann. Ich kenne mich gut aus beim Militär, Sayuri. Seine eigenen Vorgesetzten können ihn nicht brauchen. Genausogut könntest du eine Verbindung mit einem Bettler eingehen! Wirklich, früher hatte ich dich richtig gern, aber…«
»Früher? Hat Nobu-san mich denn nicht mehr gern?«
»Für Dummköpfe habe ich nichts übrig.«
»Was für eine unfreundliche Bemerkung! Versuchen Sie vielleicht, mich zum Weinen zu bringen? Ach, Nobu-san! Bin ich ein Dummkopf, nur weil mein danna ein Mann ist, den Sie nicht bewundern können?«
»Ihr Geishas! Ihr könnt einem wirklich auf die Nerven gehen! Ständig lauft ihr herum, konsultiert euren Almanach und sagt: ›Oh, aber heute darf ich nicht nach Osten gehen, weil mein Horoskop sagt, daß das Unglück bringt!‹ Aber wenn es um eine Angelegenheit geht, die euer ganzes Leben beeinflussen wird, wendet ihr einfach den Blick ab.«
»Wir wenden nicht den Blick ab, wir verschließen die Augen vor etwas, was wir nicht verhindern können.«
»Ach ja? Nun, an dem Abend, an dem ich mich mit Michizono unterhalten habe, habe ich einiges in Erfahrung gebracht. Du bist die Tochter der Okiya, Sayuri. Du kannst nicht behaupten, gar keinen Einfluß zu haben. Und es ist deine Pflicht, den Einfluß, den du besitzt, zu nutzen, wenn du dich nicht durchs Leben treiben lassen willst wie ein Fisch, der mit dem Bauch nach oben im Fluß schwimmt.«
»Ich wünschte, ich könnte daran glauben, daß das Leben wirklich mehr ist als ein Fluß, der uns mit dem Bauch nach oben dahinträgt.«
»Na schön, wenn es ein Fluß ist, bleibt dir immer noch die Freiheit, in diesem Teil davon zu schwimmen oder in jenem, richtig? Das Wasser wird sich immer wieder teilen. Wenn du um dich schlägst, dich kräftig wehrst und jeden Vorteil nutzt…«
»O ja, das ist sicher wunderbar – wenn man Vorteile hat.«
»Die kann man überall finden, man muß nur hinsehen! Was mich betrifft, so würde ich, selbst wenn ich nicht mehr hätte als – ich weiß nicht – einen abgelutschten Pfirsichkern oder etwas Ähnliches, diesen jedenfalls nicht einfach wegwerfen. Denn wenn es Zeit wird, ihn wegzuwerfen, werde ich dafür sorgen, daß ich damit jemanden treffe, den ich nicht mag!«
»Wollen Sie mir etwa raten, mit Pfirsichkernen um mich zu werfen, Nobu-san?«
»Mach dich nicht lustig, du weißt genau, was ich sagen will. Wir sind uns sehr ähnlich, Sayuri. Ich weiß, daß die Leute mich ›Herr Eidechse‹ nennen – und du bist das bezauberndste Wesen von ganz Gion. Aber als ich dich bei diesem Sumo-Turnier zum erstenmal sah – wie alt warst du damals? Vierzehn? –, war mir sofort klar, was alles in dir steckt.«
»Ich war schon immer der Ansicht, daß Nobu-san mehr von mir hält, als ich wirklich wert bin.«
»Möglich, daß du recht hast. Ich hatte ein bißchen mehr von dir erwartet, Sayuri. Du begreifst ja nicht einmal, wo dein Schicksal liegt. Dein Leben an einen Mann wie den General zu binden! Ich hätte gut für dich gesorgt, weißt du. Es macht mich wütend, wenn ich nur daran denke! Wenn dieser General aus deinem Leben verschwindet, wird er dir nichts hinterlassen, was dich an ihn erinnert. Ist
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