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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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urplötzlich zu uns herum und kam auf uns zu.
    »Laßt mich mal überlegen«, sagte sie. »Hunde folgen ihrem Herrn. Und da ihr beiden mir überall schnuppernd und schnobernd nachfolgt, muß ich daraus schließen, daß ihr wie Hunde behandelt werden wollt! Soll ich euch zeigen, was ich mit Hunden mache, die ich nicht mag?«
    Damit holte sie aus und versetzte Mameha einen heftigen Schlag auf den Kopf. Ich schrie auf und schien Hatsumomo damit zur Besinnung gebracht zu haben. Mit glühenden Augen starrte sie mich eine Weile an, bis das Feuer in ihnen erlosch und sie wortlos davonging. Alle in der Gasse hatten bemerkt, was passiert war, und einige kamen herüber, um sich zu vergewissern, daß es Mameha gutging. Sie versicherte ihnen, daß alles in Ordnung sei, und sagte dann traurig:
    »Die arme Hatsumomo! Es ist offenbar so, wie es der Arzt gesagt hat. Sie scheint wirklich den Verstand zu verlieren.«
    Natürlich gab es keinen Arzt, aber Mamehas Worte zeitigten die beabsichtigte Wirkung. Schon bald machte in Gion das Gerücht die Runde, der Arzt habe Hatsumomo als geistig verwirrt bezeichnet.
    Seit Jahren schon stand Hatsumomo dem berühmten Kabuki-Schauspieler Bando Shojiro VI. nahe. Shojiro war das, was wir als onna-gata bezeichnen, das heißt, er spielte immer nur Frauenrollen. Einmal sagte er in einem Interview für eine Zeitschrift, Hatsumomo sei die schönste Frau, die er je gesehen habe, und auf der Bühne imitiere er häufig ihre Gesten, damit er selbst möglichst noch verführerischer wirke. Also können Sie sich vorstellen, daß Hatsumomo Shojiro stets besuchte, wenn er sich wieder mal in Gion aufhielt.
    Eines Nachmittags erfuhr ich, daß Shojiro abends an einer Party in einem Teehaus im Geishaviertel Pontocho auf der gegenüberliegenden Flußseite teilnehmen werde. Ich erfuhr davon, als ich für eine Gruppe Marineoffiziere auf Urlaub eine Teezeremonie vorbereitete. Anschließend eilte ich in die Okiya zurück, doch Hatsumomo war bereits angekleidet und hatte sich eilig davongestohlen. Sie tat das, was einst ich getan hatte: Sie brach früh auf, damit ihr niemand folgen konnte.
    Da ich Mameha unbedingt berichten wollte, was ich erfahren hatte, ging ich geradewegs in ihre Wohnung. Leider informierte mich ihre Dienerin, daß sie eine halbe Stunde zuvor fortgegangen sei, um »zu beten«. Ich wußte sehr gut, was das bedeutete: Mameha war zu einem kleinen Tempel am Ostrand von Gion gegangen, um vor den drei winzigen jizo-Statuen zu beten, die sie dort hatte errichten lassen. Ein jizo ehrt die Seele eines verstorbenen Kindes. In Mamehas Fall standen sie für die drei Kinder, die sie auf Verlangen des Barons abgetrieben hatte. Unter anderen Umständen wäre ich ihr vielleicht gefolgt, doch in einem so intimen Moment konnte ich sie unmöglich stören. Außerdem hätte sie vielleicht nicht gewollt, daß ich erfuhr, wo sie war. Also blieb ich in ihrer Wohnung sitzen und ließ mir von Tatsumo Tee servieren. Schließlich kehrte Mameha mit leicht abgespanntem Ausdruck nach Hause zurück. Da ich das Thema nicht gleich anschneiden wollte, plauderten wir eine Weile über das bevorstehende Fest der Zeitalter, in dem Mameha die Hofdame Murasaki Shikibu darstellen sollte, Autorin der klassischen Geschichte des Prinzen Genji. Schließlich blickte Mameha von ihrer Tasse Schwarztee auf – Tatsumo hatte Teeblätter geröstet, als ich eintraf –, und ich erzählte ihr, was ich im Lauf des Nachmittags erfahren hatte.
    »Wunderbar!« sagte sie. »Hatsumomo wird entspannt sein und glauben, daß sie uns abgeschüttelt hat. Bei all der Aufmerksamkeit, die Shojiro ihr auf der Party zukommen lassen wird, fühlt sie sich vermutlich wie neugeboren. Dann werden wir beiden, du und ich, wie ein übler Geruch von der Gasse hereinkommen und ihr den ganzen Abend verderben.«
    Nachdem mich Hatsumomo so viele Jahre lang so grausam behandelt hatte und nachdem ich sie so von Herzen haßte, hätte mich dieser Plan eigentlich entzücken müssen. Doch irgendwie verschaffte mir die Intrige gegen Hatsumomo nicht soviel Vergnügen, wie ich mir vorgestellt hatte. Ich mußte unwillkürlich an ein Erlebnis aus meiner Kindheit denken: Ich badete gerade im Teich bei unserem beschwipsten Haus, als ich plötzlich ein heftiges Brennen in meiner Schulter verspürte. Eine Biene hatte mich gestochen und versuchte sich von meiner Haut zu lösen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, laut zu schreien, um etwas zu unternehmen, doch einer der Jungen zog die Biene heraus

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