Die Geisha - Memoirs of a Geisha
haben, das Doppelte zahlen.«
»Und wenn ich versage, gar nichts.«
»Bitte, sehen Sie es nicht als gar nichts an. Denn einen Teil von Chiyos Einkünften hätten Sie ja die ganze Zeit über schon erhalten. Es ist nur so, daß die Okiya nicht in der Lage wäre, Ihnen den zusätzlichen Betrag auszuzahlen, der Ihnen zustehen würde.«
Ich war überzeugt, Mameha würde ablehnen. Statt dessen sagte sie jedoch: »Zuerst möchte ich gern wissen, wie hoch Chiyos Schulden tatsächlich sind.«
»Ich werde Ihnen die Bücher holen«, sagte Mutter.
Mehr konnte ich von ihrem Gespräch nicht hören, denn in diesem Moment wollte Tantchen meine Horcherei nicht mehr hinnehmen und schickte mich mit einer Liste von Besorgungen aus der Okiya. Den ganzen Nachmittag fühlte ich mich so unruhig wie ein Blatt im Wind, denn ich hatte natürlich keine Ahnung, wie die Sache ausgehen würde. Wenn Mutter und Mameha sich nicht einigen konnten, mußte ich mein Leben lang Dienerin bleiben, das war so sicher, wie eine Schildkröte immer eine Schildkröte bleibt.
Als ich in die Okiya zurückkehrte, kniete Kürbisköpfchen auf dem Verandagang beim Hof und erzeugte auf ihrem Shamisen gräßlich näselnde Laute. Als sie mich sah, schien sie hocherfreut und rief mich zu sich.
»Denk dir was aus, um Mutters Zimmer zu betreten«, riet sie mir. »Da sitzt sie nämlich schon den ganzen Nachmittag mit ihrem Abakus. Ich wette, daß sie dir was zu sagen hat. Anschließend kommst du sofort zurück und erzählst mir alles!«
Ich fand ihre Idee gut. Einer meiner Aufträge war es gewesen, eine Salbe für die Krätze der Köchin zu besorgen, doch in der Apotheke gab es keine mehr. Also beschloß ich, nach oben zu gehen, um mich bei Mutter dafür zu entschuldigen, daß ich keine Salbe mitgebracht hatte. Das würde sie natürlich wenig kümmern, weil sie vermutlich nicht mal wußte, daß man mich losgeschickt hatte, um die Salbe zu holen. Doch wenigstens gelangte ich dadurch in ihr Zimmer.
Wie sich herausstellte, lauschte Mutter einem Komödien-Hörspiel im Radio. Wenn ich sie normalerweise dabei störte, winkte sie mich zu sich herein und hörte einfach weiter Radio, während sie ihre Kontobücher begutachtete und ihre Pfeife schmauchte. Heute aber stellte sie das Radio zu meiner Überraschung ab, sobald sie mich sah, und klappte ihr großes Kontobuch zu. Ich verneigte mich vor ihr und trat näher, um mich an ihren Tisch zu knien.
»Während Mameha hier war«, begann sie, »ist mir aufgefallen, daß du die ganze Zeit den Boden in der Eingangshalle poliert hast. Wolltest du uns etwa belauschen?«
»Nein, Mutter. Auf dem Boden war ein Kratzer. Kürbisköpfchen und ich haben uns die größte Mühe gegeben, ihn zu entfernen.«
»Ich möchte nur hoffen, daß du eine bessere Geisha wirst, als du eine Lügnerin bist«, sagte sie und fing an zu lachen. Da sie dabei aber die Pfeife nicht aus dem Mund nahm, blies sie unbeabsichtigt Luft in den Stiel, so daß der kleine Metallkopf Asche spie. Ein paar Tabakskrümel glimmten noch, als sie auf ihren Kimono fielen. Sie legte die Pfeife auf den Tisch und klopfte ihren Kimono mit der flachen Hand ab, bis sie sicher war, daß die Glut überall gelöscht war.
»Nun, Chiyo, du bist jetzt über ein Jahr hier in der Okiya«, sagte sie.
»Über zwei Jahre, Herrin.«
»In dieser Zeit habe ich kaum Notiz von dir genommen. Und dann kommt heute eine Geisha wie Mameha hereingerauscht, um mir zu erklären, sie wünsche deine ältere Schwester zu sein! Was in aller Welt soll ich nur davon halten?«
Wie ich es sah, war Mameha eigentlich eher daran interessiert, Hatsumomo zu schaden, als mir zu helfen. Aber das konnte ich Mutter natürlich nicht sagen. Gerade wollte ich ihr erklären, daß ich keine Ahnung hatte, warum sich Mameha für mich interessierte, aber bevor ich sprechen konnte, wurde die Tür von Mutters Zimmer aufgeschoben, und ich hörte Hatsumomo sagen:
»Tut mir leid, Mutter. Ich wußte nicht, daß Sie gerade das Dienstmädchen rüffeln.«
»Sie wird nicht mehr lange Dienstmädchen sein«, entgegnete Mutter. »Wir hatten heute Besuch, der dich möglicherweise interessiert.«
»Ja. Ich habe gehört, daß Mameha hier war, um unseren Minikarpfen aus dem Aquarium zu fischen«, sagte Hatsumomo. Sie kam herüber und kniete sich so dicht neben mich, daß ich hastig ausweichen mußte, damit wir beide am Tisch Platz hatten.
»Aus irgendeinem Grund«, fuhr Mutter fort, »scheint Mameha zu glauben, daß Chiyo ihre Schulden
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