Die Geisha - Memoirs of a Geisha
zurückzuzucken.
In den zwei Jahren, die vergangen waren, seit Mutter mich von der Schule genommen hatte, hatte ich einen großen Teil dessen, was ich gelernt hatte, gründlich vergessen. Und gelernt hatte ich damals herzlich wenig, da ich in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt war. Deswegen hatte ich, nachdem sich Mameha bereit erklärt hatte, meine ältere Schwester zu sein, und ich wieder zur Schule ging, das Gefühl, mit dem Unterricht noch einmal ganz von vorn zu beginnen.
Zu jener Zeit war ich elf Jahre alt und fast schon so groß wie Mameha. Älter geworden zu sein mag Ihnen als Vorteil erscheinen, aber ich kann Ihnen versichern, daß es keiner war. Die meisten Mädchen in der Schule hatten mit ihrer Ausbildung begonnen, als sie wesentlich jünger waren als ich, zum Teil schon im traditionellen Alter von drei Jahren und drei Tagen. Jene, die so früh angefangen hatten, waren zumeist Töchter von Geishas und von klein auf daran gewöhnt, daß Tanz und Teezeremonie zum Alltag gehörten – wie für mich früher das Baden im Teich.
Wie der Shamisen-Unterricht bei Lehrerin Maus aussah, habe ich bereits beschrieben, das weiß ich; doch eine Geisha muß außer dem Shamisen noch viele andere Kunstfertigkeiten erlernen. Tatsächlich bedeutet das »gei« in Geisha »Künste«, so daß das Wort »Geisha«
»Künstlerin« bedeutet. Meine erste Lektion an jedem Morgen befaßte sich mit einer kleinen Trommel, die wir tsutsumi nennen. Womöglich fragen Sie sich, warum eine Geisha das Trommeln erlernen soll, aber die Antwort darauf ist einfach. Bei einem Bankett und bei allen möglichen zwanglosen Feiern in Gion tanzt die Geisha gewöhnlich nur zur Begleitung eines Shamisen und höchstens einer Sängerin. Bei Bühnenauftritten, wie etwa den Tänzen der Alten Hauptstadt in jedem Frühling, bilden sechs oder mehr Shamisen-Spielerinnen ein Ensemble, unterstützt von verschiedenen Trommeln und einer japanischen Flöte, die wir fue nennen. Sie sehen also, daß eine Geisha sich an all diesen Instrumenten versuchen muß, obwohl ihr letztlich geraten wird, sich auf ein oder zwei davon zu spezialisieren.
Wie gesagt, meine erste Lektion am Morgen galt der kleinen Tsutsumi. Wie alle anderen Musikinstrumente, die wir lernten, wird sie im Knien gespielt. Die Tsutsumi unterscheidet sich von den anderen Trommeln, weil sie auf der Schulter gehalten und mit der Hand geschlagen wird. Die größere okawa ruht auf dem Oberschenkel, und die größte Trommel von allen, die taiko, steht schräg auf einem Ständer und wird mit dicken Schlegeln geschlagen. Ich selbst habe nach und nach sämtliche Größen spielen gelernt. Eine Trommel mag wie ein Instrument aussehen, das jedes Kind spielen kann, in Wirklichkeit gibt es aber zahlreiche Möglichkeiten, sie zu schlagen, zum Beispiel – bei der großen Taiko –, indem man den Arm vor den Körper hält und den Schlegel sozusagen rückhändig schwingt, was wir uchikomi nennen, oder mit einem Arm, während wir den anderen im selben Moment heben, was wir sarashi nennen. Es gibt natürlich noch mehr Methoden, und jede erzeugt einen anderen Klang, doch das gelingt nur nach langem Üben. Außerdem musiziert das Orchester stets vor den Augen der Zuhörer, so daß all diese Bewegungen nicht nur synchron mit den anderen Spielerinnen ausgeführt werden, sondern darüber hinaus graziös und anziehend ausfallen müssen. Die halbe Arbeit besteht darin, den richtigen Klang hervorzubringen, die andere Hälfte in der richtigen Ausführung.
An den Trommelunterricht schloß sich eine Stunde Unterricht in japanischer Flöte und daran die Shamisen-Stunde an. Die Lehrmethode bei diesen Instrumenten war mehr oder weniger dieselbe. Die Lehrerinnen begannen etwas zu spielen, und die Schülerinnen mußten es wiederholen. Gelegentlich klang das wie das Blöken einer Horde von Tieren im Zoo, aber wirklich nicht sehr oft, denn die Lehrerinnen achteten darauf, mit möglichst einfachen Stücken zu beginnen. Bei meiner ersten Flötenstunde zum Beispiel spielte die Lehrerin einen einzigen Ton, den wir dann eine nach der anderen zu wiederholen versuchten. Und selbst an diesem einzigen Ton hatte die Lehrerin ziemlich viel auszusetzen.
»Soundso, du mußt den kleinen Finger senken, statt ihn in die Luft zu halten. Und du, Soundso – riecht deine Flöte vielleicht nicht gut? Na also, warum rümpfst du denn so furchtbar die Nase?«
Wie fast alle anderen Lehrerinnen war auch sie überaus streng, und wir hatten eine
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