Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
für eine Art sein, wenn man das mal erfahren darf? Etwa eine Ihrer spiritistischen Sitzungen? Möchten Sie vielleicht Vaters Geist anrufen?«
»Ich bitte dich, mein Sohn, mach dich nicht über meinen Glauben lustig. Er ist mir in diesem so düsteren Moment eine große Hilfe.«
»Aber, Mutter, Ihr Glaube ist doch einfach lächerlich! Außerdem gibt er aller Welt nur Anlass zu Spott! Lesen Sie denn keine Zeitungen?«
»Aber selbstverständlich, ich schreibe sogar für einige.« Der Tonfall des Gesprächs wurde immer aufgeheizter. Amadeo brach in schrilles Gelächter aus.
»Wollen Sie etwa diese Pamphlete, die voll sind mit Aberglauben und falschen wissenschaftlichen Theorien, auch noch als Zeitungen bezeichnen? Glauben Sie vielleicht, sich diesen Götzenbildern zu empfehlen wäre die beste Art, von Vater Abschied zu nehmen?«
Maria del Roser gab hierauf keine Antwort. Sie atmete tief durch. Amadeo schnitt ein Stück Fleisch ab und kaute es bedächtig. »Mutter, lassen Sie uns nicht die Zeit mit Streitereien vergeuden, die nirgendwo hinführen«, sprach er weiter. »Wir sollten uns darüber abstimmen, was wir über Vaters Tod erzählen.«
»Das geht niemanden etwas an.«
»Die Zeitungen werden nachfragen. Und die Freunde auch.«
»Wir werden ihnen sagen, dass er den Nonnen vom Convento de las Jerónimas zu Hilfe gekommen ist und dabei in den brutalen Hinterhalt von ein paar Unmenschen geriet.«
Amadeo hörte auf zu kauen. Er kniff die Augen zusammen.
»Haben Sie mit einer der Nonnen gesprochen?«
»Nein.«
»Kennen Sie Sor Maravillas?«
»Nein, aber ich würde sie gerne kennenlernen.« Maria del Roser versuchte zu lächeln. »Sie hat sehr viel auf sich genommen, ich würde mich gerne bei ihr bedanken.«
»Sie hat sich viele Freiheiten herausgenommen, würde ich meinen.«
»Warum sagst du das? Wegen der Beerdigung? Ach, mach dir deswegen keine Sorgen. Deinem Vater gefällt es sehr gut dort. Immerhin hat er diese Steine schon mehrmals abgetragen und wieder aufgebaut. Sie sind wie sein eigenes Zuhause.«
Amadeo glaubte, sich verhört zu haben. Er wollte gerade etwas sagen, als seine Mutter weitersprach: »Das mit der Familiengrabstätte und mit der Skulptur halte ich für keine gute Idee. Dein Vater hat nicht an Engel geglaubt. Er ist bei den Nonnen besser aufgehoben.«
Amadeo schüttelte verwirrt den Kopf. »Das alles scheint mir sehr abwegig.«
»Mein Sohn, das macht doch nichts. Du weißt, wie sehr ich es schätze, wie schnell du aus Italien zurückgekehrt bist, ebenso dein Bemühen, den Namen der Familie bei diesem Unglück zu ehren. Aber ich gehe davon aus, dass du meiner Meinung bist, nämlich dass die Dinge sobald wie möglich ihren normalen Gang nehmen müssen.« Maria del Roser schob den unberührten Teller zur Seite, trank einen Schluck Wasser und sprach weiter. »Ich habe mir erlaubt, Señor Trescents zu schreiben und ihn zu bitten, morgen zu kommen. Es ist besser, wenn er dich selbst über die Einzelheiten des Erbes deines Vaters unterrichtet. Leider kann ich dir dabei nicht beistehen. Bei der Juristensprache wird mir nur schwindelig. Aber ich bitte dich, hör mit deinen alten Kindereien auf und vergiss deinen Bruder nicht. Er wird dir ein guter Stellvertreter sein und ein treuer Helfer, da bin ich mir sicher. Außerdem solltest du allmählich daran denken, eine Ehe einzugehen, schließlich steht jetzt alles zu deinem Vorteil, mit dem du das Interesse bei den besten Familien der Stadt wecken kannst.«
Amadeos Mund stand schon einige Sekunden offen, er wollte unbedingt etwas sagen. Als seine Mutter einmal Atem holte, ergriff er die Gelegenheit.
»Habe ich richtig verstanden, dass Vater lieber im Kreuzgang der Nonnen als in der Familiengrabstätte liegt?«
»Ja, mein Sohn.«
»Woher kann man so etwas wissen?«
»Ich weiß es, und damit ist es gut, mein Sohn. Frage nicht nach Dingen, die du gar nicht wissen möchtest.«
»Sie glauben doch wohl nicht etwa, dass er mit uns in Verbindung treten kann, oder? Ihrer Meinung nach will Vater also nicht in die Familiengrabstätte?«
»Fängst du schon wieder mit der verdammten Familiengrabstätte an! Jetzt hör endlich damit auf, mein Sohn! Die Sache ist abgeschlossen. Ich habe dich auf deine Pflichten als Erbe angesprochen. Das ist wirklich wichtig.«
Amadeo spießte eine Kartoffel auf, tunkte sie in die Bratensoße und führte sie zum Mund. Erst nachdem er lange auf ihr herumgekaut und sie dann hinuntergeschluckt hatte, gab er dem Wunsch seiner
Weitere Kostenlose Bücher