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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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wieder einen Kapitän.
    »Kauf für heute Abend etwas Feines zum Abendessen ein. Es soll ein schönes Menü für meine Mutter und mich geben. Julián wird dich begleiten. Auf den Straßen sind Frauen allein noch nicht sicher.«
    Concha tupfte sich die Tränen mit dem Handrücken ab.
    »Einverstanden, Señor«, sagte sie mit gewissem Stolz. »Gott sei Dank bist du hier.«
    Amadeo dachte das Gleiche. Doch bevor seine ehemalige Kinderfrau losging, sagte er: »Mir scheint, als wären alle Möbel noch zugedeckt.«
    »Ja, so ist es. Wir hatten keine Muße, die Hüllen abzunehmen.«
    »Macht das so bald wie möglich. Es ist deprimierend. Es sieht so aus, als wären wir die Toten.«
    Fest entschlossen suchte Amadeo nach dem Füllfederhalter seines Vaters in der obersten Schublade. Er holte Papierbögen mit Briefkopf hervor und begann mit dem Schreiben. Von dem Foto aus, das auf dem Sims stand, schien sein Vater seine Handlungen gutzuheißen – zum ersten Mal in seinem Leben.
    Punkt halb neun Uhr abends klopfte Amadeo an die Bibliothekstür. Wie zu erwarten, erhielt er keine Antwort. Er versuchte, die Tür zu öffnen, aber sie war von innen mit dem Schlüssel abgesperrt.
    »Mutter, ich erwarte Sie in fünf Minuten zum Abendessen. Ich bitte Sie, mir dabei Gesellschaft zu leisten.«
    Entgegen Conchas Vermutung kam Doña Maria del Roser kurz darauf tatsächlich ins Esszimmer hinunter. Auf dem Tisch lag eine Leinendecke, und auch ansonsten war er mit der Schlichtheit gedeckt, die einer so traurigen Situation angemessen war. Dennoch hatte man die Bestecke poliert, und auch das Roastbeef und seine Beilagen verströmten einen Hauch von Luxus.
    Amadeo hatte für den Anlass eine gleichermaßen feinfühlige wie gebieterische Rede vorbereitet. Er wollte damit seine Mutter zur Vernunft bringen, die Ordnung im Haus wiederherstellen und sie über gewisse Einzelheiten informieren, die er für untragbar hielt.
    Er begann mit dem leichtesten Teil: »Ich habe aufgetragen, Juan und Violeta herbringen zu lassen. Es gibt keinen Grund, warum sie während der Trauerzeit der Familie in Caldes bleiben sollten. Und was uns beide angeht, Mutter, so müssen wir unverzüglich gewisse Dinge in Angriff nehmen. Vater verdient einen Abschied, wie er Gott und unserem Familiennamen angemessen ist. Ich denke derzeit darüber nach, einem renommierten Künstler den Auftrag zu geben, eine Marmorskulptur für die Familiengrabstätte zu errichten. Mir wäre ein Engel am liebsten. Das ist neuerdings sehr en vogue. Und dann möchte ich in all unseren Fabriken einen Tag zum offiziellen Trauertag erklären.« Amadeo legte eine Pause ein, um abzusehen, welche Wirkung seine Worte hinterließen. Maria del Rosers fester Blick drückte weder Einverständnis noch Missfallen aus. »Die offizielle Traueranzeige erscheint am Freitag in den beiden wichtigsten Zeitungen, also in La Vanguardia und im Diario de Barcelona . Ich denke, der Samstag ist ein gut geeigneter Tag für einen Trauergottesdienst. Ich wollte Padre Eudaldo mit der Homilie betrauen. Wenn Sie Trauerkleidung benötigen, dann können Julián und Conchita Sie gleich morgen früh begleiten. Die Straßen beruhigen sich zwar allmählich, aber ich sähe es gerne, wenn Violeta und Sie das Haus nur verlassen, wenn es unumgänglich ist. Und was den Leichnam angeht …« – Maria del Roser hob ihren Blick inmitten der undurchdringlichen Stille – »Ich werde dafür sorgen, dass er in die Familiengrabstätte überführt wird. Aufgrund merkwürdiger Umstände, die nichts zur Sache tun, habe ich erfahren können, wo Vater vorübergehend begraben worden ist und …«
    »Er liegt im Kreuzgang vom Convento de Montesión«, sagte Maria del Roser, »und das finde ich großartig.«
    Diese Bemerkung brachte Amadeo aus dem Gleichgewicht, der nicht verstehen konnte, wie seine Mutter an diese Information gelangt war. Er wollte gerade weitersprechen, da fuhr Maria del Roser fort: »Ich habe nicht vor, zu dem Trauergottesdienst für deinen Vater zu gehen, Amadeo. Ich habe dort nichts verloren.«
    Amadeos Gesichtszüge verhärteten sich.
    »Sie wollen Ihrem Ehemann nicht die letzte Ehre erweisen?«
    »Selbstverständlich will ich das, aber eben auf meine eigene Art.«
    Concha kam ins Esszimmer, um Wasser nachzuschenken. Ihr fiel sofort auf, dass ihre Anwesenheit zu einem eisigen Schweigen zwischen Mutter und Sohn führte. Sie beeilte sich und verließ hastig den Raum. Danach ging Amadeo sofort zum Angriff über.
    »Und was soll das

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