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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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ja?«
    Padre Juan ging direkt zum Zimmer seiner Mutter hoch. In den Küchen war das alles beherrschende Thema der Dienstmädchen, wie gut ihm das Priestergewand stand.
    »Mädchen, jetzt seid nicht so respektlos. Er ist ein Mann Gottes«, schalt Concha, aber ihr Tadel löste mehr als einen Seufzer aus.
    Mutter und Sohn kamen kurz darauf die Treppe hinunter, indem sie mit ihren langen Gewändern auf dem Weg zum Salon über die Marmortreppe fegten. Von ihrem Zweitgeborenen geleitet, nahm Maria del Roser elegant in dem Sessel vor dem Kamin Platz.
    »Alles ist noch an Ort und Stelle«, stellte der Jesuit fest, während er den Platz jedes einzelnen Gegenstandes überprüfte. »Außer den Bildern. Es werden jedes Mal mehr.«
    »Dein Bruder malt sehr viel in letzter Zeit. Bald haben wir keine freien Wände mehr.«
    Juan wandelte gemächlich durch den Raum, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Er blieb vor dem Porträt Violeta langweilt sich beim Warten stehen. Das letzte Mal wurde es noch am Kamin präsentiert. Nun war dieser Platz mit dem Porträt eines ihm unbekannten, blonden Mädchens besetzt.
    »Das ist Teresa Brusés, deine zukünftige Schwägerin«, erklärte Maria del Roser.
    »Ich habe ja gewusst, dass meinem Bruder junge Dinger gefallen, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so jung sind …«, meinte er in einem Tonfall, der jeglicher Ironie entbehrte.
    »Damals war sie zwölf Jahre alt, Junge. Es ist das erste Porträt, das er von ihr gemalt hat. Für die beiden hat das Bild einen großen Wert. Sie hat sich in ihn verliebt, während sie ihm Modell gestanden hat.«
    »Im Ernst? Das arme Mädchen!«
    »Teresa hat ganz klare Vorstellungen, sie ist ein beeindruckendes Mädchen. Sie hat immer gewusst, dass sie eines Tages Amadeo gehören würde. Es musste sogar ihre Schwester kommen und mich bitten, dass ich mich für sie einsetze.«
    »Und das haben Sie tatsächlich getan, Mutter?«
    »Nun, sagen wir so, ich habe versucht zu helfen. Alles Übrige hat Amadeo allein gemacht. Und natürlich die Liebe. Man darf die Macht der Gefühle nicht unterschätzen.«
    »Aber auch nicht Ihr Bedürfnis, diesen hoffnungslosen Spinner auf den rechten Weg zu bringen.«
    Maria del Roser brach in schallendes Gelächter aus, ehe sie einen Hustenanfall bekam.
    »Sind Sie erkältet?«
    »Ja, wie jedes Jahr, mein Sohn. Von Oktober bis Februar. Dieser Husten ist schlimmer als der Grind.«
    »Hat Sie ein Arzt untersucht?«
    »Ach, komm mir bloß nicht damit. Seit unser lieber Dr. Gambús gestorben ist, finde ich keinen Arzt mehr, dem ich vertraue. Die verschreiben gegen alles nur noch Pillen. Ich ertrage sie nicht. Deshalb nehme ich Kaffeebonbons mit Milch, die haben die gleiche Wirkung, halten aber länger an. Die Ärzte von heute sind nicht mehr so wie die von früher.«
    Während seine Mutter ihre Schmährede über die Pillenmedizin hielt, blieb Juan vor einem anderen Bild stehen. Er betrachtete es sehr ausgiebig, noch genauer als die beiden anderen Gemälde. Schließlich ging er weiter.
    »Ich habe keine Ahnung, was diese Señorita in unserem Salon verloren hat. Sie gehört nicht einmal zu unserer Familie!«, meinte Maria del Roser, der das Interesse ihres Sohnes nicht entgangen war. »Aber ich muss zugeben, mit diesem bunten Bild wirkt dieser düstere Winkel ein bisschen fröhlicher. Wenn das Bild nicht hier hängen würde, hätte ich den Auftrag erteilt, für die Ecke so ein kitschiges chinesisches Service zu kaufen.«
    »Mutter, das Mädchen gehört gewissermaßen zur Familie«, erklärte Juan. »Montserrat und ihre Eltern haben viele Jahre in der Fabrik Hilados y Tejidos de San Andrés für uns gearbeitet.«
    »Na, siehst du … Aber warum sieht sie auf dem Bild wie ein Freudenmädchen aus?«
    Juan gab keine Antwort. Er wandte sich dem Violeta-Bildnis zu, blickte traurig zu seiner Schwester und beschloss seine Betrachtung mit der Feststellung: »Aber eines muss man ihm lassen, malen kann er.«
    »Komm, leg eine Schallplatte auf. Für die Stimmung. Dort ist unsere Schellacksammlung. Da findest du die ›Marcha real‹, und es gibt auch eine Platte, auf der Fernando Calvo aus Das Leben ein Traum rezitiert. Wie spät ist es eigentlich? Wie kann es angehen, dass es von deinem Bruder immer noch kein Lebenszeichen gibt?«
    Juan blickte zur Wanduhr. »Es ist zwanzig vor zwölf.«
    »Herr im Himmel! Sie sollen die Kanapees bringen! Gleich kommen die Gäste!«
    Die Kanapees standen bereit, als die Gäste aus dem dritten Stock

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