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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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war die Beziehung seines Bruders ein Fehltritt von Tragweite. Man durfte den Arbeitern nicht trauen. Das Beste war seiner Ansicht nach, sich von ihnen fernzuhalten. Die Beziehung seines Bruders hielt er für eine Krankheit.
    »Ich bitte Sie, einen Bericht über dieses Mädchen zu schreiben, Trescents. Und zwar so ausführlich wie möglich.«
    »Selbstverständlich, Señor. Das wird sehr leicht sein. Fast die gesamte Familie arbeitet für uns.«
    »Bestens. Sagen Sie, sind Sie mit dem Angebot, das Sie heute erhalten haben, zufrieden?«
    »Ja, sehr, Señor«, brach es aus dem Juristen hervor. »Ihr Angebot ist mehr als großzügig. Es ist für mich eine große Ehre zu wissen, dass Sie mich für fähig halten, eine derartige Verantwortung zu übernehmen. Es bedeutet eine große Herausforderung, die Arbeit von Señor Lax fortzusetzen, Señor.«
    Amadeo blickte den zukünftigen Bevollmächtigten mit unergründlicher Kälte an.
    »Vergessen Sie nicht, dass mein Vater schon einige Zeit tot ist, Trescents.«
    »Selbstverständlich, Señor. Ich denke jeden Augenblick daran.«
    »Señor Lax, das bin mittlerweile ich. Von der Vergangenheit kann man nicht leben, Trescents.«
    »Selbstverständlich nicht, Señor. Sie sind die Gegenwart, das ist mir sehr wohl bewusst.«
    »Gut. Also werde ich den Notar bitten, die Verträge aufzusetzen.«
Protokoll der außerordentlichen Hauptversammlung des Kuratoriums des Museu Nacional d’Art de Catalunya (MNAC)
25. März 2010 (Auszug)
Bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Kuratoriums des Museums wurde einstimmig beschlossen:
Das Vermächtnis von Señora Doña Eulalia Montull, das aus 31 bislang unbekannten Werken des Malers Amadeo Lax besteht, wird vom MNAC angenommen.
Die mit dem Vermächtnis verknüpften Auflagen werden erfüllt, indem das MNAC öffentlich verspricht, sämtliche verfügbaren Werke des Malers in einem Museum zusammenzuführen, das noch zu bestimmen ist;
und indem Señora Doña Violeta Lax Rahal als Beisitzerin des Kuratoriums benannt wird, damit sie überwacht, dass die vorgenannte Auflage binnen einer Frist von zehn Jahren erfüllt wird.
Das Vermächtnis wird voraussichtlich Mitte April 2010 auf einer Pressekonferenz im Gebäude des zukünftigen Museums bekannt gegeben.
Einladungen zur Pressekonferenz ergehen zudem an die rechtmäßige Erbin der verstorbenen Señora Eulalia Montull, Señora Doña Fiorella Otrante (mit Wohnsitz in Nesso, Italien), sowie an Señora Doña Violeta Lax, die Testamentsvollstreckerin.
Barcelona, den 25. März 2010

XVII
    Arcadio ist ein Mensch, der nicht aufgibt. Er kommt vorbei und stattet den Umbauarbeiten der zukünftigen Bibliothek einen seiner Routinebesuche ab. Er spitzt scheu in die Wageneinfahrt. Bis gestern hätten wir berichten können, dass hier auf Hochtouren gearbeitet wird. Doch momentan ist der Architekt Ricardo Selvas der Einzige, der auf Hochtouren ist. Er brüllt am oberen Absatz der Marmortreppe ins Telefon: »Was soll das heißen, das Projekt sei schon immer umstritten gewesen? Mann, wovon redest du eigentlich? Das glaubst du doch nicht einmal selbst! Und das alles jetzt! Weißt du, was los ist? Du hast einfach keine Argumente, um etwas zu rechtfertigen, wofür es keine Rechtfertigung gibt. Später heißt es dann, dass die Ämter improvisieren, und ihr besitzt noch die Frechheit, das zu leugnen! Lass uns doch mal Klartext sprechen: Ihr seid einfach die Könige im Improvisieren! Und die Könige, wenn es um mangelnde Seriosität geht.«
    Nun schweigt der Architekt. Er beobachtet desinteressiert den langweiligen Menschen, der am unteren Treppenabsatz, neben dem lästigen Weinblatt, stehen geblieben ist. Arcadio trägt eine bordeauxrote Strickjacke, ein grünkariertes Hemd und braune Segelschuhe. Heute hat er sich bei der Auswahl seiner Garderobe selbst übertroffen.
    »Hahaha … diese verdammte Erbschaft! Willst du mir vielleicht sagen, dass man diese blöden Bilder nirgendwo anders unterbringen kann? So eine Scheiße noch mal, müssen die Schmierereien unbedingt in mein Projekt kommen?«
    Arcadio blickt in die Räume, die einmal die Küchen waren. Der Holztisch ist bereits vor Jahren verschwunden, ebenso die Bänke in der Nähe der Feuerstelle. Am gusseisernen Herd fehlen die Türen. Von der umfangreichen Ausstattung mit Töpfen und Pfannen hat nur in einem Winkel im Küchenschrank ein Stieltopf überlebt. Er scheint genauso überrascht darüber zu sein wie Arcadio.
    Die leeren Räume lassen das Telefongespräch des

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