Die Geister schweigen: Roman (German Edition)
angemessenen Trauer hinter sich. Die weihnachtliche Feststimmung wurde durch die große Katastrophe getrübt, die sich in der berühmtesten Straße Barcelonas ereignet hat. In allen Familien war das schreckliche Unglück, dessen Nachricht sich in der ganzen Stadt in Windeseile verbreitete, das beherrschende Gesprächsthema. Das städtische Leben wurde aus seinem gewohnten Rhythmus gerissen, und der traurige Anblick der dichten Rauchwolken, die über dem Gebäude schwebten – und die bis in die Umgebung von Barcelona das Gefühl des gewaltigen Verlustes deutlich machten –, wird der derzeitigen Generation in unvergesslicher Erinnerung bleiben. Schließlich mussten wir mitansehen, wie aufgrund eines tragischen Unglücks ein für Barcelona so emblematisches Warenhaus zu einer Ruine wurde, das den Ruhm für das katalanische Geschäftsleben weit über unsere Grenzen hinausgetragen hatte. El Siglo war ohne jeden Zweifel in Barcelona das erste Haus am Platze und tief im Bewusstsein der Bevölkerung verwurzelt, aber es musste erst zu dieser Katastrophe kommen, damit wir Barcelonesen begreifen, wie sehr wir El Siglo geliebt haben und wie sehr dieses luxuriöse, großartige und moderne Warenhaus immer ein Teil von uns gewesen ist, das das erste dieser Art auf der Iberischen Halbinsel war und ohne Übertreibung zu den besten den Welt gehörte.
Das Feuer war so gierig und ließ bei seiner Ausbreitung keine Abteilung aus, dass, als die Feuerwehrleute in ihrem unermüdlichen und heldenhaften Einsatz schließlich den Brandherd entdeckten und ein weiteres Vordringen verhindern konnten, von den drei Gebäuden, die das gesamte Warenhaus einnahm, nur noch ein riesiger Scheiterhaufen übrig war. Der Großbrand ruinierte mit seiner zerstörerischen Wut nicht nur ein mächtiges Unternehmen, sondern ließ zudem ein Handelshaus verschwinden, in dem mehr als tausend einfache Familien ihr Brot verdienten.
Der Schauplatz der Katastrophe
Etwa gegen halb elf Uhr am Sonntagmorgen bemerkten Passanten auf den Ramblas, dass aus den Ritzen der Metalltüren von El Siglo Rauchschwaden austraten. Sogleich wurde Alarm geschlagen, indem die Schutzpolizisten und einige städtische Polizisten, die in der Nähe Dienst taten, die Meldung schnellstens an ihre Vorgesetzten und an die Feuerwachen weitergaben. Die Rauchschwaden nahmen immer weiter zu, drangen durch das gesamte Gebäude und suchten einen Ausweg über die zahlreichen Balkone, die auf die Rambla de los Estudios gingen. Der Gebäudekomplex des Kaufhauses El Siglo umfasst in der Rambla de los Estudios insgesamt drei Hausnummern, nämlich 2, 5 und 7. In der Hausnummer 1 befindet sich der Verwaltungssitz des Unternehmens Compañía General de Tabacos de Filipinas, in dessen Erdgeschoss die Banco Hispano Colonial residiert. Auf der anderen Seite grenzt El Siglo an das Gebäude der Academia de Artes y Ciencias an, und im Erdgeschoss der Akademie befindet sich das Teatro Poliorama. Die Rückseite von El Siglo zeigt auf die Calle Xuclà, eine nur etwas über zwei Meter breite Gasse, auf die vier oder fünf Eingänge des zerstörten Warenhauses führten. Es gab an der Plaza del Buensuceso noch einen weiteren Eingang, dessen Mauern zu der Lebensmittelabteilung gehörten.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Warenangebot bei El Siglo alle Bereiche umfasste. Das Gebäude verfügte über eine Verkaufsfläche von mehreren tausend Quadratmetern, die sich über sieben Stockwerke erstreckten, wobei in jeder Etage verschiedene Abteilungen eingerichtet waren. Die für Spielwaren war eine der Hauptattraktionen des Hauses und belegte umfangreiche Räumlichkeiten im Erdgeschoss an der Calle Xuclà.
Die sieben Wachleute, die sich an den Feiertagen im Warenhaus aufhielten, nahmen erste Löscharbeiten vor. Doch bei ihrem Versuch, einige der Feuerlöschgeräte einzusetzen, die in verschiedenen Abteilungen bereitstanden, hatte sich der erste Rauch bereits so stark verdichtet, dass alles Bemühen scheiterte und die Wachleute schnellstmöglich das Gebäude verlassen mussten, um nicht zu ersticken. Einer dieser Männer, José Sánchez, erlitt bei seinem Versuch, das Feuer zu löschen, das sich rasend schnell ausbreitete, an beiden Händen Verbrennungen, die in der Sanitätsstelle in der Calle Sepúlveda versorgt werden mussten. Der Rauch, der auf die Ramblas drang, war so undurchdringlich, dass sofort eine Fahrbahn für den Verkehr der Autos und Straßenbahnen gesperrt werden musste. Kurz nach elf Uhr trafen die ersten
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