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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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Scheinwerfern, die in das Warenhaus hineinstrahlten, kleine Feuernester, die noch nicht gelöscht waren.
Der Befehlshaber der Feuerwehr, Señor Jordán, teilte uns zu später Stunde mit, dass immer noch höchste Gefahr beim Betreten des Gebäudes bestehe, da in der Nacht wahrscheinlich die Pfeiler und übrigen Metallträger nachgeben würden. Da gegen zwei Uhr morgens in diesem Abschnitt die Gefahr gebannt zu sein schien, wurde die Plaza del Buensuceso wieder für Passanten freigegeben. Tausende zogen nun an der Fassade vorbei und betrachteten den gewaltigen Schutthaufen, zu dem der in dem Warenhaus angehäufte Reichtum geworden war. Die Vorsichtsmaßnahmen in den Ramblas und in der Calle Xuclà wurden im Hinblick auf die Bevölkerung dennoch aufrechterhalten, da die Einsturzgefahr dort immer noch nicht gebannt ist.
Bei dem Unglück wurden zwei Feuerwehrmänner verletzt sowie drei Anwohner, die die Löscharbeiten unterstützten. Die beiden verletzten Feuerwehrmänner erhielten Besuch vom Bürgermeister. In der Apotheke in der Calle del Carmen mussten vier Bewohnerinnen der Calle Xuclà, die Nervenzusammenbrüche erlitten, versorgt werden.
Tragisches Ende
Am Montagmorgen wurden auch die Ramblas für Passanten wieder freigegeben. Zugleich wurden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um weitere Einstürze zu verhindern. Um halb vier Uhr nachmittags stattete der Präsident der Generalitat, Señor Macià, in Begleitung seiner Gattin Señora Lamarca dem Unglücksort erneut einen Besuch ab. Zudem trafen dort der Bürgermeister Dr. Aguadé, der Abgeordnete bei den Cortes, Don Martín Esteve, sowie einige Ratsmitglieder ein. Laut Aussage von Polizeichef Señor Ribé werden angesichts der Tatsache, dass keine Gefahr mehr besteht, sehr wahrscheinlich die Ramblas heute wieder für den Verkehr von Straßenbahnen und allen anderen Fahrzeuge freigegeben.
Die offiziellen Besucher waren noch anwesend, als mit großem Getöse die Haupttreppe des Warenhauses einstürzte, die aus Schmiedeeisen bestand und in ihrer Gestaltung an die Treppenhäuser anderer großer Warenhäuser in Europa angelehnt war. Der Krach war gewaltig und versetzte die Schaulustigen, die sich gegenüber von El Siglo in dem von den Sicherheitskräften vorgegebenen Abstand aufhielten, in Angst und Schrecken. Doch es waren keine weiteren Personenschäden zu beklagen.

XXI
    Die Geburt, der Tod sowie die Suche nach etwas, womit man sich in der Zwischenzeit die Zeit vertreibt. Das ist, vereinfacht ausgedrückt, das Leben.
    Im Haus im Pasaje Domingo ließ die erste Geburt mehr als zwanzig Jahre auf sich warten – bis zum 23. Oktober 1920, dem Tag, an dem Vicenta mitten in einem Lachanfall über die witzige Strophe, die Julián gerade vorgelesen hatte, ihre Wehen bekam. Julián war von Natur aus ein spröder Typ, insofern war allein das Verlesen von humorigen Zeilen schon zum Lachen. Seine geliebte Vicenta war selbstredend sein ergebenstes Publikum.
    Yo, desde que me he casado,
    tanto mis gustos cambié
    que antes me gustaban todas.
    Y ahora, le confieso a usted,
    que todas, todas me gustan.
    Todas, menos mi mujer.
    (Seitdem ich verheiratet bin,
    hab ich anderes im Sinn.
    Früher haben mir alle gefallen,
    doch jetzt, das will ich gestehen,
    gehört meine Liebe wirklich allen,
    nur meine Frau will ich nicht sehen.)
    Die sechs Stunden Wehen, die folgten, bis Vicenta ihr Kind aus eigener Kraft gebar, waren nicht ganz so vergnüglich. Die im Hause verfügbaren Frauen bemühten sich zu helfen, und alle zusammen brachten das winzige, dunkle und uneheliche Mädchen zur Welt, das seine Eltern Laia nannten. Das war die große Neuigkeit im Untergeschoss und auch im übrigen Haus, dem in letzter Zeit die Bewohner ausgingen.
    Das dritte Stockwerk bot einen trostlosen Anblick. Das alte Kinderzimmer war nun ein kurioser kleiner Salon, für den niemand Verwendung fand. Violetas Zimmer war fest verschlossen. Amadeo war in die Mansarde gezogen, wo die Zimmermädchen nur mit Müh und Not Zutritt erhielten, um dort sauber zu machen. Auch Juans Zimmer war unbewohnt und stand für Übernachtungsgäste bereit, die in dieser Familie immer seltener wurden. Nur die Bibliothek bot noch den gleichen Anblick wie früher. Hier wurden nach wie vor, wenn auch nicht mehr so häufig, die Treffen des Mittwochzirkels abgehalten. Das zweite Stockwerk, das größtenteils die Zimmer der Señora beherbergte, hatte noch sein altes Ambiente bewahrt. Maria del Roser hielt nichts von Veränderungen und

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