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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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er seine Rückreise antrat, auf- und abpromenierte, konnte er nicht vorhersehen, wie die Umstände seine Absichten besiegeln würden. Nur wenige Tage nach seiner Rückkehr aus der Neuen Welt, am 27. Dezember 1920, verkündete die Banco de Barcelona ihre Zahlungsunfähigkeit. Dies war ein Montag, und Trescents kam um halb neun Uhr morgens mit Weltuntergangsmiene im Pasaje Domingo an. Er traf Amadeo im großen Salon, wo ihn gerade Don Severo, sein Barbier, rasierte. Doch da die Angelegenheit wichtig zu sein schien, empfing Amadeo den Juristen.
    »Die Banco de Barcelona geht in Konkurs. Sie haben es heute Morgen angekündigt: Sie können keine Zahlungen mehr leisten. Alle ziehen ihre Einlagen zurück. Überall greift Panik um sich. Vor den Bankschaltern haben sich unendlich lange Schlangen gebildet. Ich habe versucht, in Ihrem Auftrag mit Señor Estruch zu sprechen, aber man hat mir gesagt, dass er krank sei und niemanden empfängt. Anscheinend kommt es zu einem Treffen der wichtigsten Aktionäre und Kunden mit dem Bürgermeister. Ehrlich gesagt, Señor Lax, ich glaube, Sie sollten dabei sein.«
    Amadeo zog eine Augenbraue hoch. Eine seiner Wangen war eingeseift, die andere erst zur Hälfte rasiert. Der Barbier tat so, als wäre er taub.
    »Schon gut, Trescents. Ich werde alles tun, was Sie für angebracht halten. Haben Sie Unterlagen über den Verlust, den diese Unannehmlichkeit für uns bedeuten kann?«
    »Selbstverständlich, Señor Lax« – der Jurist deutete auf einen Stoß Papiere in seiner Hand –, »ich habe Ihnen alles mitgebracht. Ich denke, Sie sollten sich darum kümmern.«
    »Ist es ernst?«
    »Mir wäre es lieber, wenn Sie die Lage selbst beurteilen, Señor.«
    Amadeo indes schätzte die Lage als nicht so gravierend ein. Nachdem er die Berechnungen überprüft hatte, stellte er fest, dass er nach dem Bankrott der wichtigsten Bank der Stadt seinen Lebensstil keineswegs ändern musste. Dennoch befolgte er den Rat des Anwalts, so wie er die Anweisungen eines Arztes befolgt hätte. Er ging zu dem Treffen, machte seine Freundschaft zu mehreren Bankiers geltend, rief bestimmte Kunden an, unterzeichnete Petitionen, in denen Antonio Mauras Regierung um sofortige Hilfe gebeten wurde, und unterschrieb Dutzende von Dokumenten. Es gelang ihm, bei dem Bankrott einen kleinen Teil der Devisengeschäfte zu retten, die sein Bevollmächtigter in dem Finanzinstitut getätigt hatte.
    Selbstverständlich wurde in den folgenden Tagen viel über die Ursachen dieser Bankenkrise gesprochen, deren Wurzeln in die opulenten Jahre zurückreichten, als der Erste Weltkrieg den katalanischen Industriellen so große Gewinne verschafft hatte.
    »Zu viel Geld in den Händen von Spekulanten. Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug«, stellte Don Octavio Conde fest, der zwar mindestens ebenso reich wie die anderen Geschäftsleute war, jedoch weitaus vorsichtiger agierte.
    Trescents steckte in einer heiklen Lage und bot aus Reue seinen Posten an, was Amadeo ablehnte. Schließlich würde er nirgendwo einen ähnlich fähigen Mann finden.
    »Haben Sie mit der Wohnung in der Rambla de Catalunya gemacht, worum ich Sie gebeten habe?«, fragte er den Juristen mitten im Gefecht.
    »Selbstverständlich, Señor Lax.«
    »Irgendwelche Zwischenfälle?«
    Eine Sekunde Schweigen fasste das Drama des Juristen zusammen, der für Amadeo Lax stets die Kastanien aus dem Feuer holte.
    »Das in solchen Fällen Übliche, Señor Lax«, antwortete der Anwalt.
    »Gut. Ich denke, wir müssen die Wohnung jetzt nicht verkaufen. Was meinen Sie?«
    »Selbstverständlich nicht, Señor Lax. Außerdem ist dies kein günstiger Zeitpunkt für einen Verkauf.«
    Amadeo reagierte mit einem Kopfnicken, ergriff eine Annonce, die er aus der Zeitung ausgeschnitten hatte, und zeigte sie Trescents.
    »Was halten Sie davon?«, fragte er.
    Der Zeitungsausschnitt zeigte den beeindruckenden Rolls Royce Silver Ghost.
    »Ein Traum.«
    »Bestellen Sie mir einen. Ich will genau den gleichen haben wie auf dem Foto.«
    Trescents nahm den Zeitungsausschnitt an sich.
    »Bei dem ganzen Durcheinander habe ich gar keine Zeit gehabt, Sie zu fragen, wie es Ihnen in New York ergangen ist.«
    »Großartig. Sehen Sie mich doch an! Das macht dieses Land aus. Man bekommt Lust, alles hinzuwerfen, was nicht neu und modern ist.«
    ›Neu und modern‹, wiederholte Trescents für sich. Die vergänglichsten Adjektive, die es gibt.

    Doña Maria del Roser kämpfte nun schon einige Jahre dafür, dass ihr

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