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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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sich so langsam nützlich machen kann.«
    »Es ist doch großartig, dass die Köchinnen immer Kinder von den Fahrern bekommen, oder?«, stellte Maria del Roser fröhlich fest. Sie meinte damit Juliáns Eltern Felipe und Juanita, die ihrerseits als Fahrer und Köchin im Haus tätig gewesen waren.
    Laias Unsichtbarkeit währte nicht lange. Nur, bis ihr ihre Uniform zu klein wurde. Innerhalb eines Jahres war sie mehr als zehn Zentimeter gewachsen, und ihr Körper hatte eine komplette Wandlung vollzogen.
    Nun beobachtete Amadeo sie jedes Mal, wenn sie mit dem Tablett näherkam. Er verschränkte die Arme und bat sie, ihm selbst aufzutun, um sie von Kopf bis Fuß betrachten zu können.
    Die folgende schreckliche Szene ließ nicht lange auf sich warten.
    Eines Morgens hört Laia ganz in der Früh auf der Treppe Schritte näherkommen. Zunächst denkt sie, es könne Conchita sein, die wie so oft nach der Medizin gegen ihr Sodbrennen sucht. Oder vielleicht auch die Señora, die seit dem Nachmittag unpässlich ist.
    Nein. Diese Schritte klingen anders.
    Unter der Tür sieht sie einen schwachen Lichtschimmer. Sie hört eine Hand an der Klinke. Als sie im schmalen Türspalt Don Amadeo in seinem samtenen Morgenmantel und mit einem Leuchter in der Hand erkennt, versteht sie nicht, was vor sich geht. Sie deckt sich zu und gibt vor zu schlafen. Zu ihrer Überraschung schließt der Señor bedächtig, fast geräuschlos, die Tür und dreht sich um. Er tut einen Schritt und noch einen. Laias Herz pocht mit aller Gewalt. Er steht neben dem Bett. Er beobachtet sie. Er keucht.
    »Mach mir nichts vor, ich weiß, dass du nicht schläfst«, flüstert er.
    Er stellt den Leuchter auf dem Fußboden ab und setzt sich neben sie auf die Bettkante. Er streckt einen Arm aus und sucht langsam nach ihrem Körper. Er berührt ihren Bauch. Er streicht ein wenig tiefer. Laia öffnet die Augen.
    »Gutes Mädchen«, sagt er lächelnd.
    Es ist das erste Mal, dass sie den Señor lächeln sieht. Es ist auch das erste Mal, dass Don Amadeo außerhalb des Esszimmers das Wort an sie richtet.
    »Wenn du nicht schreist, bekommst du ein Geschenk von mir«, flüstert er.
    Sie ist so verängstigt, dass sie zu atmen vergisst. Ihm geht es ähnlich, denkt Laia, da hört sie ihn immer heftiger stöhnen.
    »Du möchtest doch ein Geschenk haben?«, fragt er hartnäckig.
    Sie nickt. Er zieht die Decke zurück.
    Zwei warme, riesige Hände plumpsen auf ihre Oberschenkel und zerren an ihrem Höschen. Ihr wird kalt. Sie schämt sich.
    Don Amadeo öffnet den Gürtel. Er kommt näher. Sein Blick ist fremd, als gehe es ihm nicht gut. Er wirft sich mit seinem ganzen Körper auf sie. Er ist schwer, und es ist unangenehm. Nur die Berührung mit dem Samtstoff zwischen ihren Beinen fühlt sich weich an.
    Plötzlich spürt Laia, wie sie etwas Schreckliches innerlich zerreißt. Fast entfährt ihr ein Schrei, fast geht sie ohne Geschenk aus. Die Pranke drückt ihren Mund zu. Sie zittert, aber nicht mehr vor Kälte. Er dringt weiter in sie ein. Dann grunzt er, seufzt schwer und steht auf.
    Er rückt seinen Morgenmantel zurecht.
    »Überleg dir, was du haben willst«, sagt er, während er wieder zum Handleuchter greift. »Sag es mir morgen Nacht, wenn ich wiederkomme.«
    Er verlässt das Zimmer, ohne ein Geräusch zu verursachen. Er geht zufrieden mit dem Gedanken, dass er an seinem schwarzen Tag wenigstens etwas Gutes erlebt hat. Diesmal stolpert er nicht über die Treppe.
    Laia kann die ganze Nacht nicht schlafen. Sie achtet auf die Tür, für den Fall, dass der Señor beschließt zurückzukommen.
    So wird es von nun an immer sein. Bis sie sich daran gewöhnt.
Von: Violeta Lax
Gesendet am: 20. März 2010
An: Arcadio Pérez
Betreff: Nachrichten vom Comer See

Ich habe mir einen Laptop zugelegt. Den habe ich wirklich gebraucht, außerdem hatte ich auch unglaublich Lust zu schreiben. Meine Mail an dich ist die Premiere. Ich muss meine Gedanken ein wenig sortieren. Wenn ich nicht festhalte, was mir gerade passiert, halte ich am Ende alles für Lug und Trug.
Also, ich bin in Nesso gelandet, einem kleinen Ort am Ufer des Comer Sees, mit dem Schiff eine Dreiviertelstunde von Varenna entfernt. Varenna ist mit der Bahn bestens an Mailand und Bergamo angebunden, und direkt neben dem Bahnhof legen die Fähren ab. Dutzende Schiffe fahren in alle Richtungen über den See, es gibt langsame, schnelle und nicht ganz so schnelle, manche legen längere Strecken zurück und andere fahren nur zum nächsten

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