Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
Vom Netzwerk:
Liceo geplant war. Beides stieß auf ihr Wohlgefallen.
    »Ich glaube nicht, dass Seine Majestät es riskieren wird, wegen eines simplen Schnupfens den Empfang abzusagen und so viele und liebe Freunde zu verärgern«, meinte Seine Exzellenz Laguarda, der über sein Bischofsamt hinaus ein Experte für die Mechanismen war, die die Beziehungen der Mächtigen funktionieren lassen.
    Der Kardinal und seine getreuen Anhänger nickten mit vollem Mund, sie stimmten mit Seiner Exzellenz voll und ganz überein.
    Die ganze Situation verlieh Eutimia ungeahnte Flügel. Sie war inzwischen dreiundsechzig Jahre alt, aber das Kommando in dieser Situation gab ihr wundersamerweise für ein paar Stunden ihre Jugend zurück, und man konnte sehen, wie sie es genoss, die Dienstmädchen anzutreiben, weitere Sektflaschen kalt zu stellen, noch mehr Kanapees anzurichten und sich beim Aufschneiden der Wurst zu beeilen. Am Ende des Tages aber erhielt sie das, was für sie eine Wiedergutmachung für die vielen Jahre ihrer Dienste und Hingabe bedeutete: Alfonso XIII., der inzwischen eine rosige Gesichtsfarbe und ansatzweise ein Lächeln zeigte, lobte sie und die vorzüglichen Speisen. Eutimia blieb vor Freude bald das Herz stehen, und sie berührte hastig das Medaillon mit den Schnurrbarthaaren ihres verstorbenen Mannes, damit er diesen besonderen Moment mit ihr teilte. Den Rest ihres Lebens war sie glücklich bei der Vorstellung, dass sie dem spanischen König wieder auf die Beine geholfen habe.
    »Wie traurig ist doch ein Empfang, an dem nur Herren teilnehmen, und wenn sie noch so viele Federbüsche auf ihren Köpfen und noch so viele Orden an der Brust tragen«, flüsterte Concha beim Anblick all der uniformierten Männer im Patio Juanita zu. »Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir doch geflaggt, oder?«
    Maria del Roser gab ihr insgeheim recht. Auch sie vermisste die gehisste Fahne und die Pracht der festlichen Roben der Damen, die noch an diesem Abend im Liceo all ihren Prunk entfalten würden. Sie selbst hatte Rodolfo zuliebe entschieden mitzukommen, der die Plaudereien in den Vorzimmern der Privatlogen im Opernhaus hasste und verzagte, sobald die unumgänglichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht waren. Maria del Roser wusste, wie furchtbar Schweigen bei gesellschaftlichen Anlässen ist, vor allem, wenn es an der fehlenden Gewandtheit der Gesprächsteilnehmer liegt. Also beschloss sie, ihn zu begleiten, um wie üblich wie ein Wasserfall zu reden.
    Für ihr Abendkleid hatte sie so viele Bedingungen gestellt, dass die Schneiderin darüber beinahe die Nerven verlor: »Keinesfalls Schwarz, das stimmt Don Rodolfo traurig. Aber Weiß erst recht nicht, das überlassen wir doch lieber den Debütantinnen. Und sobald man die fünfunddreißig überschritten hat, ist Rosa einfach nur noch fehl am Platz. Aber kein Grün und auch kein Türkis, und weder Cretonne noch Seide, dafür bin ich nicht in Stimmung. Und diese fürchterlichen Brauntöne, ach, die tue ich mir erst in zwanzig Jahren an. Was meinen Sie?«
    Die Schneiderin ließ sich nicht beirren. Als letztes Mittel zeigte sie die Probe von einem edlen fließenden Stoff, der soeben aus Paris eingetroffen war, und mit dem Gehabe eines Spielers, der gerade einen Trumpf auf den Tisch knallt, schlug sie vor: »Señora, was Ihnen steht, ist dieses Mauve.« Und Maria del Roser fand den Farbton mehr als passend. Diese erhabene Farbe entsprach sowohl der letzten Mode wie der erhabenen Feierlichkeit. Sie gab die Schleppe etwas kürzer und das Dekolleté etwas höher als bisher gewohnt in Auftrag und bestand auf Ärmeln, die unterhalb des Ellenbogens gebauscht waren. Wie immer, wenn sie eine Entscheidung getroffen hatte, war sie nicht davon abzubringen.
    Die Sorge jedes Einzelnen um den Festakt im Liceo galt also nicht nur der Gesundheit des Königs.
    »Weiß man schon, wo man ihn platzieren wird?«, fragte der Marqués de Robert.
    »Um Himmels willen, aber jetzt reden Sie doch nicht vom König, als ginge es um eine Blumenvase«, schalt Pere Milà i Pi vom Círculo del Liceo.
    »Ich bitte Sie, natürlich weiß man das. Sowohl der Marqués de Julià als auch der Marqués de Sotohermoso haben ihre Logen für Maura, den König und sein Gefolge zur Verfügung gestellt.«
    Der Marqués de Julià, der gerade in der Nähe eine Scheibe Vic-Wurst erhascht hatte, die eines der Dienstmädchen auf einem Tablett offerierte, nutzte die Gelegenheit, um sich einzumischen: »Wenn diese Idioten, die einfach gegen alles sind,

Weitere Kostenlose Bücher