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Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Die Geister schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Care Santos
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die Loge seiner Großmutter nicht beseitigt hätten, müsste man ihn nicht irgendwo unterbringen.«
    »Ja, aber Isabella II. wollte, dass ihre Enkel die Vorstellungen sehen, nachdem sie den Wiederaufbau des Opernhauses bezahlt hatte. Man hat sie doch nach dem Brand darum gebeten. Das ist doch eine Schande, oder?«, meinte Milà i Pi.
    Rodolfo nickte. Er wusste sehr wohl, dass seine Mitbürger – zumindest die, mit denen er Umgang pflegte – alles verzeihen konnten, nur nicht, wenn sich jemand um seinen Anteil drückte.
    »Welches Programm wird heute bei dem Konzert gegeben?«, wollte der junge Josep Maria Albert Despujol mit einer Auster in der Hand wissen. »Ich hoffe, wir hören ausschließlich Wagner.«
    »Aber nein, mein Herr«, erwiderte Maria del Roser sofort, »es gibt auch Edvard Grieg und Paul Gilson. Bitte bedenken Sie, dass der König womöglich nicht ganz so ein Wagnerianer ist wie wir.«
    »Was für ein Unsinn! Warum sollte er das denn nicht sein?«, entgegnete Camilo Fabra.
    »Aber es gibt Leute, die ertragen keine Wagner-Musik und erfinden sogar alberne Reime«, mischte sich Emilio de la Cuadra ein. »Wie heißt es so schön: ›Ach, Wagner, den alten Teutonen, den hören nur Schwadronen.‹ Und in dem Stil.«
    »Das ist doch wirklich blödsinnig«, entrüstete sich Fabra. »Jeder Mensch, der Geschmack hat, verehrt Wagner. Wer so etwas sagt, verdient es, schwerhörig zu werden.«
    Einige meinten, dass diese Verteidigung des Germanischen einem Mann merkwürdig zu Gesicht stand, der sich gerade mit einem Engländer zusammengetan hatte, um mit seiner Baumwollproduktion in die ganze Welt zu expandieren. Aber sie hielten sich zurück, denn alle wussten, dass Oper und Baumwollstoffe zu zwei sehr unterschiedlichen Welten gehörten.
    Aus dem Salon kamen gute Neuigkeiten, die bei allen Anwesenden auf große Erleichterung stießen. Der König hatte endlich wieder die Augen geöffnet, und die Dienstmädchen, die vor lauter Nervosität selbst beinahe ohnmächtig geworden waren, reichten ihm einen kleinen Imbiss. Der Arzt jedoch hielt es für angebracht, dass seine Majestät noch abgeschirmt wurde.
    Albert Despujol ließ für einen Moment von den Austern ab und erkundigte sich beim Gastgeberpaar nach Amadeo, der fast gleichen Alters war. Den Eheleuten Lax entging dabei keineswegs, dass er nicht Katalanisch, sondern ein schauriges Spanisch sprach, und sie konnten sich nicht erklären, ob er dies aus Respekt vor der anwesenden Gesellschaft tat oder um besonders vornehm zu wirken.
    »Amadeo ist noch auf Reisen«, berichtete Rodolfo, »aber wir wissen leider nicht, ob er sich gerade in Italien oder in Paris aufhält.«
    Maria del Roser erklärte: »Wir haben ihm erlaubt, seinen künstlerischen und persönlichen Horizont mit einer Studienreise zu erweitern. Er ist nun schon zwei Jahre unterwegs.«
    »So ein Glückspilz!«, meinte Albert Despujol. »Ich kann bei den Verpflichtungen, die mir meine Verlobte und meine Arbeit auferlegen, überhaupt nicht daran denken, irgendwohin zu reisen. Mein Schwiegervater erwartet, dass sein Rückzug aus mir einen pflichtbewussten Mann macht, der der Leitung seiner Fabriken würdig ist. Ehrlich gesagt, das hoffe ich auch. Übrigens, ich werde Ende des Jahres heiraten. Wissen Sie, ob Ihr Sohn bis dahin zurück sein wird? Ich würde ihn gerne darum bitten, mir die Ehre zu erweisen, einer der Trauzeugen zu sein.«
    Der junge Maria Josep Albert Despujol war mit seinem Auftreten, das mit ausgesucht höflichen Manieren einherging und hinter dem Arbeitseifer großen Ehrgeiz zu erkennen gab, für die heiratsfähigen Mädchen der Gesellschaft eines der begehrtesten Ziele gewesen. Schließlich hatte er sich – seiner eigenen und der Erwartung seiner Familie entsprechend – mit der Tochter eines Muntadas verlobt.
    »Ich werde Amadeo schreiben«, versprach Maria del Roser. »Ich bin sicher, dass er gerne seine Rückkehr für eine so besondere Gelegenheit vorziehen wird. Sie wissen ja, unser Sohn schätzt Sie sehr.«
    Maria del Roser spielte selbstverständlich nur eine Rolle, denn tatsächlich zweifelte sie nicht daran, dass Amadeo den jungen Albert Despujol ebenso verabscheute wie fast alle anderen.
    Auch Octavio Conde Gómez del Olmo gehörte zu der Schar auserwählter junger Unternehmer, die den König bei seinem Aufenthalt in Barcelona begleitete. Als die Eheleute Lax sich den Männern zuwandten und als gute Gastgeber jeden einzeln ansprachen, überraschte er sie mit einer Frage:

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