Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
breitschultriger und hatte pechschwarze, lockige Haare. »Sie haben früh angefangen«, bemerkte ich.
»Wer?« Sie sah gleichgültig zum Fenster. »Ach so, Peter und Davy. Ja, sie treiben sich ständig dort draußen herum.«
»Was ist David Fortune eigentlich genau von Beruf?«
»Er ist Archäologe, wie Peter. Er lehrt an der Universität von Edinburgh.«
»Aber …«, sagte ich stirnrunzelnd, »würde dein Großvater die Ausgrabung nicht lieber alleine leiten?«
»Das bezweifle ich«, antwortete sie lakonisch. »Außerdem braucht er Davy. Oder vielmehr braucht er Davys Namen auf seinen Veröffentlichungen, um die Ausgrabung zu legitimieren. Peters Name beeindruckt heutzutage niemanden mehr«, erklärte sie leichthin. »Die meisten halten ihn für zu alt.« Sie stieß sich vom Schrank ab und deutete auf meinen leeren Teller. »Bist du fertig? Gut. Dann komm mit – ich habe den Auftrag, dich überall herumzuführen.«
Ich schlüpfte in meinen zerknitterten Anorak und folgte Fabia nach draußen. Der Morgen war kühl für Ende April, aber klar und sonnig mit einem frischen Lüftchen, das von Südwesten her wehte.
Ich drehte mich für einen Moment mit dem Rücken zum Wind, um Rosehill genauer in Augenschein zu nehmen, und stellte beruhigt fest, daß es bei Tag viel weniger unheimlich wirkte. Der rosa-graue Verputz, der die rötlichen Ziegelsteine nicht mehr an allen Stellen bedeckte, ließ das schmucklose Haus hübscher erscheinen. Eine elegant geschwungene Treppe wand sich seitlich zum Vordereingang hinauf und wurde von einem zierlichen Geländer begrenzt, das ihr eine gewisse Leichtigkeit verlieh. Die hohen, schmalen Fenster in ihren weißen Rahmen waren in eine Vielzahl kleiner quadratischer Scheiben unterteilt, die das Sonnenlicht wie funkelnde Edelsteine zurückwarfen.
»Warum heißt es Rosehill?« fragte ich.
Fabia zuckte die Achseln. »Da mußt du Peter fragen, er hat da so seine eigenen Theorien. Jedenfalls gibt es hier keine Rosen. Dafür jede Menge Narzissen.« Sie deutete hinter uns auf den sanft abfallenden Hang, auf dem sich die Auffahrt heraufschlängelte. Er war gelb vor Narzissen, Hunderten davon, die alle einhellig mit den Köpfen nickten. Wie die Narzissen unter dem Fenster meines Zimmers wurden auch diese von einer Kastanie mit weit ausladenden Ästen beschirmt, deren flaumige, zusammengerollte Blätter in einem zarten Grün leuchteten.
Fabia pflückte nachlässig im Vorbeigehen ein Blatt ab und glättete es zwischen ihren Fingern, während sie sich umdrehte und am Haus vorbei auf eine sonnenbeschienene Ecke des Feldes blickte, die gerade in Sicht kam.
»Hast du wirklich etwas poltern gehört – letzte Nacht?« fragte sie zögernd.
Ich sah sie verwundert an. »Nur die Katzen. Warum?«
»Nur so, aus Neugier.« Sie wandte sich achselzuckend von dem Feld ab und ließ das geglättete Blatt zu Boden fallen. »Hier entlang«, sagte sie und begann, den Hügel hinauf auf die Ställe zuzugehen.
IV
Die aus dunklem Holz gebauten Stallungen schmiegten sich langgestreckt und flach an den Hügelkamm hinter dem Haus. Von dem weiten Torbogen aus, der den Eingang bildete, hatte man einen unbegrenzten Blick über Rosehill und das kleine Cottage hinweg auf die hügeligen Felder, die schmale Straße und den Fluß, der sich durch einen purpurnen Schleier von Bäumen bis zu den Schornsteinen von Eyemouth und der eisblauen Nordsee in der Ferne wand.
»Keine Pferde mehr«, sagte Fabia neben mir düster.
Ich riß mich von dem wunderbaren Anblick los und folgte ihr hinein. Hier hatte es schon länger keine Pferde mehr gegeben, dachte ich. Ihr typischer Geruch hing nicht mehr in der Luft.
Doch ich verzieh Quinnell die fehlenden Pferde sofort, als sich meine Augen an das Licht im Innern gewöhnt hatten. »Mein Gott«, sagte ich ehrfürchtig.
Er hatte wahre Wunder in dem Gebäude vollbracht.
Ich war es gewohnt, bei Ausgrabungen in improvisierten Zeltlabors zu arbeiten, das Wasser zum Abwaschen der Fundstücke von irgendwo herbeizuschleppen und mich mit meinen Kollegen um einen der Plätze an den wenigen Tischen zu streiten. Als ich mich dagegen jetzt in diesen Räumen umsah, wurde mir mit einemmal klar, wieviel Geld hinter der Rosehill-Ausgrabung steckte. Die Säuberung und der Umbau der Stallungen allein mußten ein Vermögen gekostet haben.
Links von mir war die Doppelreihe hölzerner Boxen von den Verschlägen befreit, ausgeräumt und neu gestrichen worden, die Lehmböden hatte man sorgfältig
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