Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
denn?«
»Rosehill.« Er zeigte wieder in die Richtung. »Dort drüben. Man kann es gerade noch erkennen, durch die Bäume hindurch. Liegt es nicht wunderbar?«
Ich sah zweifelnd auf die schmale, leere Straße hinter uns und folgte dann Adrians Blick. Ich konnte das Dach von Rose Cottage sehen, den dunkleren Schemen des Herrenhauses hinter den Bäumen und das weite grüne Feld, das mit keiner Andeutung verriet, was unter ihm vergraben sein mochte.
Es hätte eigentlich ein friedvoller Anblick sein müssen, heiter und ländlich, aber dem war nicht so. Ich konnte mir nicht erklären, woran es lag, doch einen kurzen Augenblick lang überlief mich der Schauer einer Vorahnung, beinahe so, als wollte das Haus mich vor etwas warnen. Vor etwas Bösem.
Ich wandte den Blick ab. »So, nun habe ich es gesehen, könnten wir jetzt vielleicht weiterfahren?«
»Keine Sorge.« Er lächelte und gab Gas. »Ich habe Anweisung, dich heil und gesund rechtzeitig zum Tee abzuliefern.«
Ausnahmsweise hielt er sein Wort. Die Uhr in der Eingangshalle schlug gerade halb vier, als Quinnell uns zur Begrüßung entgegenkam.
»Verity, meine Liebe, wie schön, Sie wieder bei uns zu haben. Wir nehmen gerade die Drinks im Wohnzimmer, kommen Sie gleich mit.« Er streckte väterlich seinen Arm aus, um mich durch die Halle zu geleiten, während er gleichzeitig Adrian mit erhobenen Brauen einen erstaunten Blick zuwarf. »Haben Sie etwa ihre Koffer nicht mitgebracht?«
»Sie haben die Koffer noch nicht gesehen«, entgegnete Adrian.
»Sind wohl recht schwer, oder? Nun denn.« Quinnell lächelte verständnisvoll und führte uns ins Wohnzimmer – diesmal nicht in den gemütlichen, roten Salon, sondern in den Raum gegenüber, auf der anderen Seite der Halle. Das »feine« Wohnzimmer, wie er es bei meinem ersten Besuch auf Rosehill genannt hatte, und jetzt sah ich mit eigenen Augen, weshalb er es so bezeichnet hatte.
Während das rote Wohnzimmer mit seinen weichen Ledersitzmöbeln, den verblichenen Chintzvorhängen und den vollgestopften Bücherregalen so eingerichtet worden war, daß man sich darin wohl fühlen konnte, sollte das feine Wohnzimmer beeindrucken.
Die hohen Wände waren mit einer grüngrundigen Tapete tapeziert – ein sanftes Meergrün, auf dem sich hellrosa Rosen in einem verzweigten Muster in die Höhe rankten. Cremeweiße Vorhänge hingen schwer und stattlich auf jeder Seite der beiden großen Fenster, durch die man auf die Straße und die Auffahrt hinaussehen konnte. Überall hoben sich weiße Akzente vor dem grünen Hintergrund ab – weiße Fensterrahmen, weiß gestrichene Simse und Fußleisten, eine weiße Einfassung um den Kamin, der in die Wand gegenüber der Tür eingelassen war. Über dem Kamin vervollständigte eine eindrucksvolle Sammlung gerahmter Miniaturen das »Schöner Wohnen«-Ambiente.
Die auf dem breiten Orientteppich arrangierten Stühle und Sessel waren zum größten Teil ebenfalls mit Stoffen in Rosa- und Grüntönen bezogen. Fabia hatte sich in einen dunkelgrünen Sessel gekuschelt, der ihr hellblondes Haar vorteilhaft zur Geltung brachte, während David Fortune einen etwas abgenutzten von undefinierbarer, graubrauner Farbe gewählt hatte. Das Sitzmöbel paßte nicht ganz zum restlichen Dekor des Raums, aber das galt auch für Fortune. Die schottischen Gutsherren von einst mußten so ähnlich ausgesehen haben, dachte ich, wenn sie gezwungen waren, ihre Zeit am englischen Hof zu vertrödeln, und darauf hofften, daß ein lärmender Streit mit anschließendem Schwertkampf ausbrechen würde, der das langweilige, höfliche Getändel unterbrach. Es versetzte mir einen kleinen Schreck zu merken, wie sehr ich mich freute, ihn wiederzusehen, doch seine höflich kühle Begrüßung ernüchterte mich sofort.
»David«, sagte Quinnell, »wärst du so freundlich, Veritys Koffer aus dem Range Rover zu holen? Adrian schafft es nicht, sagt er.«
Adrian beeilte sich, ihn zu korrigieren. »Ich habe nicht gesagt, daß ich es nicht schaffe, sie …«
»Kein Problem.« David stellte sein Glas beinahe erleichtert ab. »Ich hole sie gern. Sie wohnt in dem vorderen Zimmer, oder? Gut.«
»Vorsicht mit dem großen«, warnte ich ihn, als er an mir vorbeiging. »Meine Schwester hat ihn für mich gepackt, und er ist furchtbar schwer.«
Adrian sah mich mit vorwurfsvoller Miene an, als die Vordertür hinter dem großen Schotten zuschlug. »Warum wird er freundlich gewarnt, während ich nur ›Männer tragen gern schwere Sachen‹ zu
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