Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
erreichte. Der Dampf stieg mir warm und duftend ins Gesicht und in meine vor Feuchtigkeit schweren Haare, die zu einem lockeren Knoten auf meinem Kopf zusammengesteckt waren.
Ich fragte mich, ob die Römerin in ihrem Bad von einem Mann geträumt hatte, wie ich es in diesem Moment tat. Ob sie an einen verflossenen Liebhaber gedacht hatte, an einen redegewandten Kaufmann mit charmantem Lächeln, oder sehnsüchtig das Bild eines starken und selbstbewußten Legionärs heraufbeschworen hatte, eines Mannes mit dunklen Haaren und blauen Augen und einem Körper, auf den kein Sterblicher ein Anrecht hatte.
Mein Seufzen kräuselte die Oberfläche des Badewassers. Ich öffnete die Augen. Laß es gut sein, riet ich mir freundlich.
Die Frau, die mich aus den nebligen Tiefen des Spiegels anblickte, als ich endlich das Bad verließ, sah ganz und gar nicht wie eine noble Römerin aus. Mein Gesicht war stark gerötet und glänzte, und meine Haare hingen wirr und strähnig um meinen Kopf. Das war der einzige Nachteil von langem Haar, dachte ich, man bekam es einfach nicht trocken. Ich hatte meinen Zopf gelöst und die tropfenden Strähnen mit einem Handtuch bearbeitet, so gut es ging, aber ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr sagte mir, daß ich keine Zeit mehr hatte, sie zu fönen. Ich ließ sie offen und feucht über die Schultern hängen und schlüpfte bibbernd in ein trockenes Paar Jeans und ein sauberes Hemd, bevor ich die Treppe hinunter zu den anderen flitzte.
Peter Quinnell, hatte ich inzwischen gelernt, nahm seine Mahlzeiten gern pünktlich ein.
Nur das Frühstück bildete eine Ausnahme. Wir standen alle zu unterschiedlichen Zeiten auf, und unsere verschiedenen morgendlichen Gewohnheiten machten es unmöglich, auch diese Mahlzeit gemeinsam einzunehmen. Adrian und David frühstückten meistens im Hotel, ehe sie zur Arbeit kamen, während Peter, Fabia und ich manchmal zusammen aßen, manchmal auch einzeln nacheinander in der hellen Küche auftauchten, in der Jeannie über uns wachte und in dem unvermeidlichen Topf mit Porridge auf dem Herd rührte. Manchmal war auch Wally zugegen, manchmal sogar Robbie, es kam immer ganz darauf an, wie früh ich es nach unten schaffte.
Die Mittagsmahlzeit dagegen stellte ein strikt einzuhaltendes Ritual auf Rosehill dar. Sie war zwar keine wirklich förmliche Angelegenheit, erinnerte aber dennoch an die feudalen Zeiten auf den Landsitzen, als die Herrschaft sich noch zum Essen umzog und die Dienerschaft separat im Untergeschoß aß. Dieser Eindruck wurde dadurch verstärkt, daß Jeannie, wenn sie nicht gerade das Essen hereintrug oder Teller abräumte, sich meist in ihrer Küche aufhielt und sich nicht zu uns gesellte.
Auch das Eßzimmer selbst strahlte einen gewissen Grad an Vornehmheit aus und schien die Einhaltung bestimmter gesellschaftlicher Umgangsformen zu verlangen. Es war ein höchst beeindruckender Raum, der etwas versteckt und diskret im hinteren Teil des Erdgeschosses lag, zwischen dem »feinen« Wohnzimmer und der Küche. Die Wände waren in heller Eiche getäfelt, das Fenster bildete eine große, spiegelnde Fläche, die nicht von Vorhängen beeinträchtigt wurde, und ein Gasfeuer fauchte leise in dem eleganten Kamin an der hinteren Schmalseite des Raums. Der lange, polierte Eßtisch, an dem bequem zwölf Personen Platz gefunden hätten, stand auf einem dicken, weichen Teppich von intensivem Hellblau, der sich von der Tür bis zum Kamin erstreckte.
»Es war ursprünglich ein Schlafzimmer«, hatte mir Peter Anfang der Woche erzählt, als ich eine Bemerkung über die Schönheit des Raums gemacht hatte. »Aber eine Dame, der Rosehill im späten achtzehnten Jahrhundert gehörte, hatte das Pech, darin von ihrem Butler ermordet zu werden. Er schnitt ihr die Kehle durch, wie ich hörte. Also wandelte man den Raum in ein Eßzimmer um. Denn schließlich«, hatte Peter gesagt und dabei mit bewundernswerter Unbekümmertheit ein Stück Brot mit Butter bestrichen, »möchte niemand in einem Zimmer schlafen, in dem ein Mord geschehen ist.«
Als Adrian darauf hingewiesen hatte, daß manche auch den Gedanken, in einem Mordzimmer zu essen, nicht sonderlich erhebend finden könnten, hatte Peter die Bemerkung mit einer lässigen Handbewegung beiseite geschoben und behauptet, daß dies etwas ganz anderes sei. Das war eine der faszinierenden Seiten an Peter, fand ich: Er hatte eine ganz spezielle Art, sich mit seiner melodiösen Bühnenstimme über Einwände hinwegzusetzen und auch noch die
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