Die Geisterseherin (German Edition)
war irgendetwas im Sekretariat schief gelaufen...
Sie trug keine Uniform, sondern dieses Gothic-Lolita-Kleid, welches sie auch bereits beim ersten Zusammentreffen mit Mikoto getragen hatte. Allerdings sah sie nicht mehr ganz so zufrieden damit aus wie damals. Vermutlich war ihr der eigene Stil, nachdem sie von dieser Motorradbande beinahe vergewaltigt worden wäre, doch ein wenig zu aufreizend.
Statt ihre schnippischen Kommentare von sich zu geben, verhielt sie sich seit dem Ausflug auch eher verschüchtert, vor allem jetzt vor der Klasse. Dadurch kam sie bei den Jungs natürlich sofort sehr gut an, welche diese Reaktion als "niedlich" einstuften, was natürlich nicht das war, was sich Sayuri gerade wünschte. Sie versuchte eher, den Männern komplett aus dem Weg zu gehen. Yuki war da eine Ausnahme, vermutlich weil er ihr Cousin war. Die meiste Zeit hielt sie sich daher hinter ihm – an, wie man so schön sagte, "Yuki's Rockzipfel".
Jedenfalls schien sie Mikoto's Geisteraussage als Scherz aufzufassen. Auch Steve's Lüge wegen ihrem Schwert bei Sayuri's Rettung hatte sie anstandslos geschluckt... und das war auch gut so. Es reichte, wenn Yuki die Wahrheit wusste... Zumal Sayuri der Gedanke, dass ein Geist unter ihr Kleidchen lugen könnte, ohne dass sie etwas davon mitbekam, nun wirklich nicht half.
Sollte sie ruhig denken, dass das Schwert, dass sie sah, eine Wahnvorstellung ihrer Fantasie, hervorgerufen durch einen Joint, war. „Nichts, Sayuri. Ich hatte nur Stress mit meiner Psychiaterin...“ Sie klappte das Buch kurz zu, ließ aber ihren Finger zwischen den Seiten.
„Wobei mir einfällt... vielleicht wäre es ganz gut, wenn du sie auch mal aufsuchen würdest... ich meine, sie kann dir sicherlich helfen über die... Geschehnisse hinweg zu kommen.“
Sayuri verzog das Gesicht und sagte etwas, das Mikoto lieber nicht so genau verstand, jedoch nicht netter als ihr eigenes „Seelenklempner“ klang.
„Schon gut, ich dachte nur, dass es dir vielleicht helfen könnte.“ Mikoto versuchte, zu lächeln, denn ihr war klar, dass jeder Mensch auf so einen Vorschlag erst einmal patzig reagieren würde. Sie wollte auch nur den Gedanken in Sayuri's Kopf bekommen.
Vielleicht sah sie dann selbst irgendwann ein, dass sie Hilfe brauchte. Mikoto seufzte leise und schlug das Buch wieder auf.
„Nichts für ungut, aber ich würde dann gerne noch ein bisschen lernen. Wir können dann ja in der Pause weiter reden. Ist das okay?“ „Klar, kein Problem. Viel Spaß beim Lernen... und beeile dich besser, die Stunde fängt gleich an.“
Yuki nickte fröhlich und setzte sich an seinen Platz. Sayuri löste sich nur unter Protest von ihm, um auf ihrem Sitz Platz zu nehmen – und fast augenblicklich darauf zusammen zu sinken, als könnte sie sich so viel kleiner machen. Etwas nervös blickte sie sich immer wieder um. Das war ein weiterer Stresspunkt in den letzten Tagen gewesen. Um genau zu sein, seitdem sie aus dem Urlaub kamen... Sayuri war durch die versuchte Vergewaltigung total verstört und durch den Wind, wollte es selbst jedoch nicht wahr haben. Mikoto versuchte, ihr zu helfen, wann immer sie nicht in der Schule war... aber Sayuri hielt sich ja sogar von Steve fern, der ihr immerhin genauso wie Mikoto geholfen hatte!
Sie seufzte erneut und wandte den Blick von dem Mädchen ab, musste dabei noch einmal über das Gothic-Lolita-Kleid den Kopf schütteln.
Also wenn SIE beinahe vergewaltigt worden wäre, dann hätte sie sicherlich einige Zeit lang keine Kleider oder Röcke mehr getragen... und wenn sie mitten im Sommer in Winterhosen hätte herumlaufen müssen!
Aber vielleicht hatte Sayuri einfach nicht wirklich viel Auswahl – sie war ja nur zu Besuch bei Yuki... und wenn sie ein riesiger Fan dieser Moderichtung war, dann hatte sie vielleicht tatsächlich nur Kleidung in diesem Stil eingepackt.
Jedenfalls konnte sich Mikoto das gut vorstellen und musste wieder grinsen, als ihr der Gedanke kam, Sayuri diesen widerlichen "Kätzchen"-Badeanzug zu schenken. Harmloser konnte man nicht mehr aussehen, oder? Und hochgeschlossen war er auch. Schließlich betrat der Lehrer das Klassenzimmer, die Tische wurden auseinander geschoben und jeder bekam einen Zettel ausgeteilt, der mit Fragen voll gedruckt war. Glücklicherweise waren es teilweise Multiple Choice-Fragen, wie Mikoto erleichtert feststellen konnte. Dennoch sah sie etwas verzweifelt auf den Zettel und fragte sich, ob sie tatsächlich jemals den poetischen Beinamen von „Mutter“, der
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