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Die Geisterseherin (German Edition)

Die Geisterseherin (German Edition)

Titel: Die Geisterseherin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schwarzenstein
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sind sicherlich schon sehr bald wieder vereint... vermutlich sogar schneller, als du denkst....“
„Will er sich etwa umbringen?“, flüsterte ein Geist mit einem Messer in der Kehle, der sich nach dem Ausbruch des Virus und den ersten, von Anarchie geprägten Wochen, umgebracht hatte und seine Worte waren berechtigt. Bis jetzt hatte der Mann am Grab seiner Toten Freundin stets von dem Funken Hoffnung gesprochen, der eventuell noch existierte. Es war das erste Mal, dass er offen von einem baldigen Tod sprach.
„Ich hoffe doch nicht... sonst werde ich ein Hühnchen mit ihm rupfen!“, erwiderte ein anderer Geist auf die Frage.
Dazu sollte man eventuell ein wenig ausholen, denn es war wichtig zu wissen, dass es in den ersten paar Wochen des Virusausbruch nicht nur sehr viele Tode wegen eben jenen Virus gegeben hatte, sondern auch durch die Reaktion der Menschen auf die Situation und die, durch die Massenmedien schnell verbreitete, Meldung, dass ein tödliches und unheilbares Killervirus sein Unwesen treibt. Viele Menschen sind damals Opfer von Gewaltverbrechen geworden. Kinder wurden missbraucht, Ausländer aus den Ländern, in denen der Virus zuerst wütete, ermordet, Häuser brannten mitsamt Bewohnern nieder, Frauen konnten zeitweise gar nicht mehr auf die Straße gehen und immer wieder gab es sinnlosen Mord, Totschlag und Chaos. Viele Menschen suchten daher auch Erlösung im Freitod. Gerade Anhänger diverser Weltreligionen zogen das „Paradies“ oder ähnliche Versprechungen dem Tod durch den Virus vor. Auch Sekten, welche ein besseres Leben nach dem Tod versprachen, hatten Hochkonjunktur. Die Meldung, dass jeder Mensch bald sterben würde, hatte eben bei allen für ein riesigen Chaos gesorgt. Da war die Reaktion dieser Menschen vielleicht nicht einmal so abwegig. Selbst die öffentliche Ordnung war auf der gesamten Welt zusammengebrochen und hatte sich erst Wochen später wieder beruhigt, als die Menschen begannen zu resignieren und in eine Art lethargischen Zustand übergingen.
Diese Chaos-Zeit, allgemein auch in den Medien als „Die dunklen Tage“ benannt, und alles, was damit zusammenhing, war unter den Geistern hier verhasst, denn nicht wenige hatten damals schreckliche Erfahrungen gemacht. Und jene Leute, die sich zuvor selbst umgebracht hatten, wurden geächtet, als Feiglinge und Verräter abgestempelt und oft auch vom Friedhof vertrieben.
Nahm man einmal die drei Geister, die sich vor Makoto's Ankunft um die Frage der Existenz von Geistersehern stritten, so sah man bei ihnen die Auswirkungen jener „Dunklen Tage“. Der alte Geist war zwar zu Beginn dieser Zeit bereits an dem Virus gestorben, aber die beiden jungen Geister waren beide Opfer des damals herrschenden Chaos. Das Mädchen war brutal vergewaltigt worden, bevor man sie erwürgte und ihre Leiche nackt auf der Straße liegen ließ. Als Geist trug sie zwar das, was sie vor ihrem Tod angehabt hatte, einen Kimono, weil sie vor ihrem Tod auf dem Weg zu einem ShintoSchrein gewesen war, jedoch konnte man noch immer die Würgemale an ihren Hals erkennen. Bei dem Jungen sah es nicht viel besser aus, wie mehrere kleine Löcher in seiner Brust bezeugten. Er war einmal ein Angestellter in einer Tankstelle gewesen, verdiente sich dort sein Geld für sein Studium. Dann wurde das Benzin knapp, da die Handelsrouten zusammen brachen und einige Leute stürmten die Tankstelle, in der Hoffnung noch etwas von dem begehrten Treibstoff zu ergattern, der gesetzlich verordnet nur noch in Rationen verkauft wurde. Er hatte nie eine Chance gehabt, in jener Nacht und wurde mit einem halben Dutzend Kugeln durchsiebt.
In Anbetracht dieser Umstände war es nur selbstverständlich, dass eine mögliche Andeutung eines Selbstmordes unter diesen Geistern sehr ärgerliche Reaktionen hervor rief.
Zumal dann, wenn die Aussage von einem Mann kam, den alle Geister hier bewunderten...
„Mach es gut, Tomoya...“, murmelte Makoto und Miu, welche inzwischen ihre Haare in einem einzelnen Zopf zusammengebunden hatte, statt ihre 2 jugendlichen, seitlich angebrachten Zöpfchen zu tragen, legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Komm, lass uns einen Kaffee trinken gehen. Du siehst aus, als würdest du einen brauchen können.“
Makoto lächelte etwas gequält.
„Gibt es das alte Café noch?“, fragte ihn Miu. „Du weißt schon... das an der Ecke, dass damals immer so tollen Kuchen verkauft hatte, dass es in der Klasse schon als legendär eingestuft worden war.“ „Ich glaube ja...

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