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Die Geisterseherin (German Edition)

Die Geisterseherin (German Edition)

Titel: Die Geisterseherin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schwarzenstein
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der Seite lag und umschloss ihn fest mit seinen Fingern.
„Lass es, du weißt genau, dass wir die Welt der Lebenden nicht manipulieren können.“
Doch als der Geist an dem Stein ruckartig zog, gab dieser nach. Zur Verwunderung des Geistes, den der Junge Tomomi genannt hatte, folgte der Stein dem kalten Griff seiner toten Finger. Ein wenig... abgehakt und unnatürlich erschien die Bewegung zwar... aber er bewegte sich!
„Was... lass das, Hayashi! Das gleiche hat Takashi auch getan, als er verschwand!“
Der Junge grinste über beide Ohren hinweg, ein bösartiges und gemeines Grinsen, dass sein Gesicht entstellte. Ja, es war nichts mehr da von dem liebenswürdigen Gesicht des Jungen, der viel zu früh aus dem Leben gerissen worden war. Nur noch eine Maske des Hasses und Blutlust war dort zu erkennen, wo eigentlich Güte herrschen sollte.
Wäre Tomomi eine Geisterseherin gewesen, so hätte sie den Jungen in diesem Moment wohl als Stufe 3 deklariert...
„Das ist das Ende der Grabbesuche...“, zischte er und seine Stimme klang schon nicht mehr menschlich... nein, sie war hohl und unnatürlich, als hätte man jeden menschlichen Klang in ihr ausgesaugt.
Makoto ahnte von alldem nichts, als er an diesem Tag das zweite Mal Opfer eines wütenden und randalierenden Geistes wurde. Er würde es wohl auch niemals erfahren, denn im Gegensatz zu den inzwischen extrem selten gewordenen und schon als Fabelwesen angesehenen Geistersehern konnte er seine Angreifer nicht erkennen.
Hätte er es gekonnt, so hätte er sicherlich versucht mit ihnen zu reden, ihnen erklärt, dass Miu nur eine Freundin war und dass er nicht vor hatte sich selbst umzubringen. Es war lediglich eine dumme Formulierung gewesen, die den Klang der Worte, eigentlich von Trauer geprägt, veränderte.
Erneut innerhalb von kürzester Zeit sauste ein massiver Gegenstand mit unnachgiebiger Wucht auf ihn herab – und erneut traf der Gegenstand sein Ziel nicht.
Allerdings erschrak Makoto dieses Mal und zuckte sichtbar zusammen, als hinter ihm der harte Stein mit einem ekligen Krachen auf den Asphalt fiel. Ein wenig verwundert blickte er sich um, doch er konnte niemanden erkennen. Nur den Stein, der hinter ihm lag. Vermutlich war er darüber gestolpert, murmelte er bei sich, während er sich wieder umdrehte und sich, ein wenig schneller, als zuvor, auf den Heimweg machte.
Aber was war eigentlich geschehen? Was war aus den beiden Geistern geworden, vor allem dem Geist des Jungen, welcher es gewagt hatte Makoto zu attackieren, als Akt der Vergeltung einer Reihe von ungünstigen Entwicklungen und Missverständnissen.
Der Junge war weg, doch das Mädchen stand noch immer dort, wo es die ganze Zeit gestanden hatte, ein paar Meter hinter Makoto. Ihre Augen waren groß, ihr Mund geöffnet, doch die letzten Worte hatten ihre Kehle nie verlassen.
Dort, wo der Stein lag, jene Stelle, an welcher der Geist des Jungen hätte stehen sollen, war leer. Lediglich ein klein wenig Rauch erinnerte noch daran, dass soeben eine Existenz dort beendet worden war.
„Aaaaaaaah!“
Das Mädchen sank schreiend in die Knie, ihre Hände vergruben sich in ihren Haaren. Tränen liefen aus ihren weit geöffneten Augen ihre Wangen herunter. Der ganze Körper des Geistes zitterte wie Espenlaub.
Dann... ein Schritt und in ihrem Gesichtsfeld erschien ein Schuh. Unfähig aufzusehen oder gar zu reagieren starrte der Geist auf den Schuh... nein, sie starrte durch ihn hindurch auf den Boden, den er nun verdeckte.
„Hayashi...“, keuchte sie ungläubig immer wieder, dann legte sich etwas silbernes und kaltes an ihre Kehle. Jene Kehle, die noch immer von den Handabdrücken ihres Vergewaltigers und Mörders gezeichnet war.
„Geh in das Licht.“, drang eine helle Stimme an ihre Ohren, die Stimme jener Person, die da vor ihr stand. Eine Stimme, die zugleich eiskalt und doch unendlich warm klang. Voller Güte und doch wild entschlossen. Ungläubig hob sie den Kopf, denn die Person vor ihr war kein Geist.
Im Gegenteil... es war ein Mensch, der sie sehen konnte... „Herrin... ich bin bereit...“, flüsterte das Mädchen, im gleichen Moment schnitt der Stahl durch ihren Körper und vor ihren Augen breitete sich das gleißende Licht einer neuen Welt aus. Dort im Licht, da konnte sie die sehen, die sie verloren hatte... und mit einem leichten Seufzer trat sie ihre nächste Reise an, während ihr eigentlich eh längst verblichener Körper sich in einer Nebelwolke auflöste. Von den Ereignissen, die sich da draußen

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