Die Geisterseherin (German Edition)
abspielten, bemerkte in dem kleinen Café niemand etwas, dazu war Makoto bereits viel zu weit entfernt gewesen. Auch den ersten Angriff, geführt von dem alten Geist des Takashi's, hätte man von hier aus zwar sehen können, tat man aber nicht.
Die beiden Mädchen hatten inzwischen ebenfalls ihre Sachen bezahlt und waren gerade dabei das Café zu verlassen. Ein wenig missmutig blickte die Inhaberin nun auf den alten Mann, der noch immer ungerührt auf seinem Platz saß und einen Kaffee nach dem nächsten trank.
Sie traute sich nicht ihn hinaus zu werfen, er war immerhin ihr letzter echter Stammkunde, dennoch wünschte sie sich an jenem Tag, dass sie einfach Feierabend machen könnte. Sie war unruhig, als würde sie spüren, dass etwas in dieser Stadt vor sich ging, etwas, dass viel größer war, als sie sich es vermutlich vorstellen konnte.
Dann, endlich, es war nach dem Verlassen der beiden Mädchen bereits wieder fast eine Stunde vergangen, erhob sich der alte Mann von seinem Platz, leerte den letzten Schluck Kaffee und schob all seine Blätter, Zeitungen und Artikel, über die er seit seiner Ankunft im Café gebrütet hatte, in eine staubige und bereits mehrfach geflickte Aktentasche.
„Auf Wiedersehen, Herr Kinoshita“, verabschiedete die Frau ihn und war schnell dabei, hinter ihm das kleine Café zu schließen. Kinoshita dagegen hatte wortlos seine Aktentasche fester gepackt und trat nun seinen Weg nach Hause an.
„Armer Tropf...“, murmelte die Inhaberin, wie in einem Ritual, auch dieses Mal, als sie den Mann, gebeugt vom Alter, hinter der nächsten Biegung verschwinden sah.
Die Aktentaschen und die Akten, die er beinahe jeden Tag hierher schleppte, waren, so weit sie es verstand, Überbleibsel eines alten Falles. Seit vielen Jahren starrte er sie nun schon an, wirkte auf jeden Außenstehenden wie ein alter, nachforschender Detektiv oder zumindest, wie ein Polizist, der sich für seine Sache einsetzte. Dabei war er seit sehr vielen Jahren schon kein Polizist mehr... Entlassen... vorzeitig in den Ruhestand geschickt, wenn man es genau nahm. Sie glaubte, dass er das nie verkraftet hatte.
Und sie war nicht die einzige, die so dachte. Aber aussprechen tat es natürlich niemand. Trotz allem war er einmal ein guter Polizist gewesen und hatte sich bei vielen Leuten einen ausgezeichneten Ruf verschafft. Man wollte diese Vergangenheit einfach nicht beschmutzen. Zumindest dachten so die normalen Menschen, jene, denen er vor langer Zeit geholfen hatte.
Kinoshita alleine wusste, warum er fast täglich die gleichen Akten studierte, warum er immer dort in diesem Café saß, meist mit einem Donut und mehreren Tassen des heißen Wassers, dass die Inhaberin tatsächlich ab und an mal Kaffee nennen konnte – so wie am heutigen Tag.
Er alleine musste mit der Pflicht leben, die er sich selbst aufgebürdet hatte. Eine Bürde aus alten Tagen.
Kinoshita lebte nicht weit entfernt, sein Haus lag nur eine Straße weiter. Einst hatte er Familie gehabt, eine wunderbare Frau, die ihn jeden Abend erwartete, wenn er von der Arbeit kam. Jetzt lebte er alleine. So weit er wusste, lebte seine Frau zwar noch, doch sie hatte ihn bereits vor fünfzehn Jahren verlassen. Er war längst darüber hinweg, auch wenn er durch ihren Weggang einige Jahre lang in tiefes Loch gefallen war.
Nun, eigentlich war er schon zuvor darin gewesen. Sie hatte ihn nur erneut hinein gestoßen, als er den Weg hinaus antrat...
„Herr Kinoshita, wie es scheint, hab ich mal wieder den perfekten Zeitpunkt erwischt...“
Gerade als Kinoshita die Tür zu seinem kleinen Häuschen aufschließen wollte, er hatte den Schlüssel bereits in der Tür stecken, hielt ein Auto vor eben jenem und eine Scheibe kurbelte sich herunter. Im Auto selbst saß ein ebenfalls älterer Mann, der bereits graue Haare und so einiges an Falten hatte. Er trug einen langen Kittel mit einem Namensschild auf der Brust.
Kinoshita, der einen Blick über die Schulter geworfen hatte und seinen ungewöhnlich pünktlichen Besuch sofort erkannte, stellte seine Tasche ab und grüßte anschließend den Besucher, den Schlüssel ließ er dabei im Schloss stecken.
„Guten Abend, Herr Sugisaki...“
Seine Stimme war dabei leise, so wie sie immer war, wenn er dem Mann begegnete, dessen Tochter er vor so langer Zeit hatte finden sollen.
„Sie sehen schrecklich aus, Herr Kinoshita. Haben Sie überhaupt mal über meinen Vorschlag nachgedacht?“, fragte ihn Yujiro besorgt. „Ich denke, dass ich ihn genauso
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