Die Geisterseherin (German Edition)
einigen Minuten zu schätzen wusste. Sicherlich war die Rückbank des Polizeiautos nicht wirklich der bequemste Ort der Welt, aber sie war liegend wesentlich bequemer als die vorderen Sitze des inzwischen doch sehr alt gewordenen Polizeiwagens.
Die meiste Zeit des ersten Tages fuhren sie über Land, einer anderen Strecke, als auf der Hinfahrt folgend. Yumi bestand darauf, weil sie einmal zum Einen natürlich schneller war, da man nicht um die Bucht von Tokio herum fahren musste und zum Anderen nicht an Ichihara vorbei führte.
Diese Stadt, das betonte sie immer wieder, wollte sie in ihrem Leben nie wieder sehen.
So kam es auch, dass sie statt, wie bei der Hinfahrt, mitten durch Japan, genauer gesagt durch Ninohe und Fukushima, dieses Mal an der Nordküste entlang fuhren. Sakata und Murakami ließen sie dabei hinter sich und fanden schließlich ein kleines Hotel in Kashiwazaki, wo sie die erste Nacht verbrachten – natürlich in getrennten Zimmern. Es war am zweiten Tag, als sie bereits wieder für einige Stunden unterwegs waren und nun eine Mittagspause in einem Rasthof bei Nomi einlegten, als Kinoshita das erste Mal wieder auf sein Handy schaute.
Eigentlich hatte er vorgehabt, nachdem Yumi und er gegessen hatten und sie die Toilette aufsuchen wollte, seinen alten Partner anzurufen, um ein wenig damit zu prahlen, dass er „Yuki Yutaka“ gefunden hatte. Immerhin hatte die Polizei das in den letzten 20 Jahren nicht vermocht, obwohl Yumi, nach ihrer eigenen Aussage, nie besonders viel unternahm, um ihre Spuren zu verwischen. Das er, der unter Kollegen ja als fast schon „verrückt“ galt, sie fand, war für ihn eine große Genugtuung.
Im übrigen war die Suche von Yumi's Vater trotz der Tatsache, dass sie sich eigentlich nicht aktiv versteckte, trotzdem von Anfang an vergebens gewesen. Hätte er sie tatsächlich gefunden, so hätte sie ihn in der Villa nicht empfangen.
Jedenfalls war dies der Zeitpunkt, in dem er die SMS bemerkte, die er bereits am Tag zuvor erhalten haben musste. Er hatte das Handy auf lautlos gestellt gehabt und die Vibration des Gerätes hatte auch schon bessere Tage erlebt. So kam es, dass er die Nachricht tatsächlich überhaupt nicht mitbekommen hatte.
„Oh, sie ist von Honda...“, murmelte er und tippte die SMS-Taste auf seinem Gerät an, welches so alt war, dass es nicht einmal einen Touch-Screen besaß... etwas, dass vor dem Ausbruch des Virus praktisch jedes Gerät hatte.
„Tut mir leid, aber du musst den Wagen so schnell wie möglich wieder abgeben. Ich kann dir nicht mehr helfen“, las er die SMS leise vor.
„Was soll das denn jetzt?“
„Was soll was?“
Yumi war gerade wieder aus der Toilette zurück gekommen und schüttelte die nassen Hände.
„Gab es keine Tücher mehr?“, fragte sie Kinoshita verwundert. „Nein... und der Händetrockner war auch kaputt...“, murrte sie als Antwort und versuchte einen Blick auf Kinoshita's Handy zu erhaschen, woraufhin er die SMS schnell weg drückte.
„Eine wichtige Nachricht?“
„Nein... nur Spam.“
Er versuchte zu lächeln und sich nichts anmerken zu lassen. Außerdem... was sollte er tun? Er konnte Yumi schlecht sagen, dass er nach Ichihara musste, um den Wagen abzugeben. Sie würde es für einen billigen Trick halten, der sie zu ihrem Vater brachte. So schnell wie möglich, hatte sein Ex-Kollege geschrieben... nun, für ihn war das, wenn er aus Osaka wieder kam. So sah er das jedenfalls. Vorher kam er ja auch nicht zurück nach Ichihara.
„Wollen wir dann wieder los?“, fragte er die Frau, an deren Begleitung er sich inzwischen schon gewöhnt hatte und sie nickte. „Ich übernehme dann die nächsten zweihundert Kilometer wieder, dann kannst du deinen Rücken noch ein wenig schonen.“ „Danke, das ist nett...“
Die beiden liefen zurück zu ihrem Auto und gleichzeitig löschte er die SMS heimlich.
An jenem Tag kamen sie immerhin bis nach Takatsuki, welches nur etwa 20 Kilometer nordöstlich von Osaka lag. Vermutlich hätten die beiden diese kurze Strecke auch noch geschafft, aber als sie an einem noch geöffnetem Hotel vorbei kamen, ergriffen sie die Chance beim Schopf, statt sich in Osaka stundenlang auf die Suche nach einem Hotel zu begeben.
Außerdem würden sie an diesem Abend eh nicht mehr zu Steve kommen, immerhin war die Besucherzeit inzwischen vorbei. Warten mussten sie also eh bis zum nächsten Mittag.
Sieben Tage war er nun schon unterwegs, dachte Kinoshita bei sich. Sieben Tage, in denen er von Ichihara nach Osaka
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