Die Geisterseherin (German Edition)
kontern.
„Stirb! Stirb! Stirb! Stirb!“, schrie Iori sie an, wie nur wenige Tage zuvor bereits Megumi, und hackte wie eine Furie auf sie ein. Durch das jahrelange Kendotraining hatten ihre Schläge nicht nur die Wildheit und die Kraft eines Stufe 3-Geistes, sondern auch die Genauigkeit einer Kendo-Meisterin. Jeder Schlag ging dorthin, wohin Iori ihn haben wollte, nicht einer wich auch nur einen Millimeter von dem gewünschten Ziel ab und es war nur eine Frage der Zeit, bis Mikoto ermüden würde und einen Schlag nicht mehr abwehren konnte.
„Stirb! Erst du! Und dann er!“, schrie sie weiter.
Mikoto parierte einen weiteren Schlag, der sie fast aus dem Gleichgewicht brachte und beschloss, dass dieser Kampf so nichts brachte.
Kendo war kein Verteidigungssport, er belohnte nur den Angriff! Statt dem nächsten Schlag zu blocken, sprang sie einen Schritt zurück, stieß sich sofort bei der Landung ab und schwang das Schwert noch im Sprung in Richtung Brustkorb.
Es war ein guter Angriff, doch Iori parierte den Schlag und wich Mikoto gleichzeitig aus, nutzte deren Schwung aus um mit einem Tritt Mikoto zum Straucheln zu bringen.
Mit dem Gleichgewicht ringend stolperte sie ein paar Schritte vorwärts. Jetzt stand sie auf der anderen Seite und Kommissar Kinoshita war nur ein paar Schritte von Iori entfernt.
„Nein, nicht so, Iori!“, knurrte sie entschlossen und sprang erneut, blockte den entgegenkommenden Schlag mit ihrem Schwert, ließ es durch die Wucht von Iori's Angriff noch in der gleichen Bewegung fallen und schmiss sich mit all ihrer Kraft gegen den Geist, ihr Schwert ignorierend.
Sie flog durch den Geist durch, als wäre er nicht da.
So wie es schien, wusste Iori inzwischen, wie sie nicht fassbar wurde... einen Fakt, den Mikoto teuer erkaufte
Sie schlug hart auf dem Boden auf und rollte durch den eigenen Schwung einige Meter weit über den Kies des Waldweges, bevor sie stöhnend liegen blieb. Der Kies hatte ihre Haut an den Knien und Ellbogen aufgeschürft, welche nun wie verrückt brannten. Mikoto lag nur für einen kurzen Moment da, riss sich sofort wieder in Wirklichkeit zurück und wollte gerade aufstehen, als eine Schwertspitze vor ihrer Nase auftauchte.
„Tja, das war es dann wohl, Geisterseherin.“
Der Geist vor ihr lachte triumphierend.
„Du wirst hier dein Ende finden. Deine lächerlichen Bemühungen waren umsonst, du hättest für immer in Wakkanai bleiben sollen.“ Mikoto knirschte mit den Zähnen und versuchte Iori ein letztes Mal zur Vernunft zu bringen: „Iori, verdammt... komm zu dir. Du bist keine Mörderin! Was mit dir geschah war schlimm, aber du kannst Unrecht nicht mit Unrecht wieder gut machen!“
„Was weißt du schon?!“, antwortete der Geist ihr.
Iori hob das Schwert zum letzten Stoß. Mikoto wandte den Kopf ab, unfähig dem ins Auge zu blicken, was sie doch jeden Tag sah. Für einen Moment glaubte sie ihr ganzes Leben vor ihrem geistigen Auge ablaufen zu sehen.
Die glückliche Zeit mit ihrer Mutter in Wakkanai... sie konnte die Melodien hören, die ihre Mutter so gerne summte.
Die vielen Umzüge, die Gesichter der vielen Schüler und Schülerinnen, die sie in ihrem Leben bereits kennen gelernt hatte... all jene Personen. Yuki... Steve... Miu und Makoto. Und so viel mehr... Sie sah die Bibliothekarin und wünschte sich, dass sie vielleicht etwas netter zu ihr gewesen wäre.
Aber jetzt war es zu spät. Sie und Kommissar Kinoshita würden hier sterben und niemand würde jemals herausfinden, warum... ihr Vater würde das niemals verkraften... Erst seine Frau, dann seine Tochter...
Baaaamm!
Ein lauter Knall zerriss die Luft, schien Mikoto's Trommelfell dabei ebenfalls zerstören zu wollen. Ihre Ohren klingelten und als sie vorsichtig die Augen öffnete, sah sie den Kommissar, eine rauchende Pistole in seiner Hand.
Idiot... so dachte Mikoto. Diese Waffe würde niemals...
Neben ihr fiel klirrend ein Schwert zu Boden.
„Nein...“, flüsterte sie leise.
Der Geist vor ihr verschwand, bevor Iori auch nur die Hand ausstrecken konnte. Nur für einen winzigen Moment konnte sie das Loch sehen, dass die Kugel in ihrem Brustkorb gerissen hatte. Das komplette Zentrum des Geistes war weg...
„Nein...“
Nein, wie nur... wie konnte das sein...?
Kommissar Kinoshita selbst hielt seine Pistole, als wäre sie etwas Fremdartiges, etwas, dass er nicht kannte und dessen Nutzen sich bislang ihm verschleiert hatte. Er hatte das Schwert gesehen, nicht den Geist. Nur das Kendo-Schwert, dass ein Teil seiner
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