Die Geisterseherin (German Edition)
Welt gewesen war. Er hatte Mikoto gehört, wie sie verzweifelt mit einer, ihm nicht sichtbaren, Person sprach. Und er hatte erkannt, dass Mikoto sterben würde, als diese über den Kiesweg flog. Ja, er hatte gewusst, dass seine Waffe keine Wirkung haben konnte, dennoch hatte er gehofft, dass der Schuss dem Mädchen Zeit verschaffen würde. Zeit, um sich zusammen zu reißen... einen neuen Angriff zu starten. Er verstand nicht, was geschehen war, als das Schwert plötzlich zu Boden fiel und das Mädchen Mikoto mit Tränen in den Augen in die Luft griff. Erst sehr viel später, durch Recherchen in seiner Familiengeschichte, sollte er die Wahrheit erfahren.
In einem alten Tagebuch seiner Großmutter fand er Hinweise darauf, dass auch sie eine Geisterseherin gewesen war. Die alte Frau, welche er stets ein wenig für verrückt gehalten hatte, kam irgendwann in den Besitz der Pistole, die jetzt ihm gehörte... Als Waffe einer Geisterseherin erlangte sie Fähigkeiten, die über jene, einer normalen Waffe hinaus gingen... dass sein Schuss den Geist für immer vernichtet hatte, ihm die Möglichkeit nahm, wiedergeboren zu werden, wurde ihm erst langsam klar. Die völlige Vernichtung, etwas, dass selbst Mikoto nicht wirklich bereit war zu tun, dass ihr größte Überwindungskraft kosten würde, war etwas Endgültiges. Wer tot war, konnte wiedergeboren werden.
Wer vernichtet war, existierte nie wieder.
Es gab nichts, dass in dieser Welt schlimmer war.
Der Kommissar, total durch den Wind und wie ein Roboter reagierend, lud das weinende Mädchen in den Wagen ein und fuhr sie zurück nach Ichihara. Keiner von beiden sagte auf dieser Fahrt auch nur ein Wort. Er konnte das Mädchen weinen hören und musste immer wieder an den Schuss denken, den er abgefeuert hatte. Der Hall seiner Waffe, nun unangetastet auf dem Rücksitz liegend, klang noch immer in seinen Ohren.
Er hatte Angst vor ihr bekommen, obwohl er mit ihr schon so oft auf Menschen geschossen hatte. Für ihn... war sie seit diesem Abend kein Talisman mehr, sondern ein grausamer Fluch.
Als Mikoto's Vater die Klingel an jenem Abend hörte, ahnte er noch nicht, was geschehen war. Er hatte an diesem Tag zu Hause geforscht, war lediglich über Unterlagen gegangen, die er in seinem Arbeitszimmer hatte, da er Mikoto's Heimkehr auf keinen Fall verpassen wollte. Er musste wissen, warum sie ihm verschwiegen hatte, dass sie eine Leiche fand. Es hatte ihn zutiefst verletzt, dass sie ihm dies nicht anvertraut hatte und er es von einem Polizisten, der am Nachmittag vor der Tür stand, und dem Fernsehen erfahren musste und er hatte es sich fest vorgenommen diese Vertrauenslücke wieder aufzubauen.
Als der Polizist vor seiner Tür stand, befürchtete er für einen Moment das Schlimmste.
Aber es kam anders... an jenem Abend erlebte er etwas, dass er seit sehr, sehr, sehr vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Auf Rat des Polizisten hatte er Mikoto eine ganze Weile lang in Ruhe gelassen und als er zu ihrem Zimmer ging, vermochte er es nicht es zu betreten.
Aus dem Zimmer hörte er seine Tochter leise weinen.
In diesem Moment wusste er, dass etwas geschehen war, dass seine Tochter total aus der Bahn geworfen hatte. Etwas, dass so schlimm für sie gewesen war, dass sie etwas tat, was sie nicht einmal nach dem Tod ihrer Mutter getan hatte... sie zeigte offen Trauer und weinte. Er wollte sie trösten, ihr helfen... doch er kam sich selbst so hilflos vor, brachte es nicht fertig das Zimmer zu betreten.
Stattdessen ging er zum Telefon und wählte die Nummer einer Person, die er zuvor nur ein einziges Mal angerufen hatte.
„Hallo...“, sprach er. „Ja, ich bin es. Ich würde mich gerne mit Ihnen treffen. Es geht um meine Tochter... ich glaube, ich brauche Ihre Hilfe... jetzt gleich? Einverstanden... ich komme vorbei... und danke.“ Damit verließ er, wenn auch widerwillig, die Wohnung, schloss hinter sich die Wohnungstür ab und lief hinaus in die dunkle Nacht.
Armee der Toten
Akt 3
Sirenen...
Die wenigen Leute, die zu jener späten Stunde noch auf den Straßen waren, sahen das Spektakel, als mehrere große Feuerwehrwagen an ihnen vorbeirauschten.
In der Innenstadt konnte man den Brand riechen, doch niemand wusste, woher der Geruch kam. Er war allgegenwärtig, nur die Flammen schienen zu fehlen.
Viel war geschehen, in jener Nacht. Und die wenigsten ahnten etwas davon.
Aus einem kleinen Laden stieg Rauch auf, nur einen winzigen Moment lang. Der Brandgeruch war hier besonders stark, doch
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