Die Geisterseherin (German Edition)
schnell, der in weit ausholenden Schritten die Straße entlang lief.
„Hey, warte mal einen Moment!“, rief sie ihm hinterher.
Hmm... kannte sie den Jungen nicht?
Für einen Moment kam es ihr so vor, als hätte sie ihn schon einmal gesehen. Er war in ihrem Alter, hatte kurze, schwarze Haare, wie die meisten jungen Japaner und trug die Uniform ihrer Schule... vermutlich ging er in eine andere Klasse und sie hatte ihn bereits mal auf dem Pausenhof gesehen.
„Bleib doch mal stehen, verdammt nochmal!“
Sie beschleunigte ihren Schritt um den Jungen einzuholen, der inzwischen mit seinen ausholenden Schritten das blonde Mädchen erreicht hatte.
Etwas blitzte auf und Mikoto begann in dem Moment zu rennen, als sie erkannte, was es war.
Aber sie kam zu spät...
Die metallene Klinge des Messers drang von hinten in den Rücken des Mädchens ein, schnitt durch Uniform und Fleisch wie Butter. Erst einmal, dann ein weiteres Mal. Blut spritzte über die Straße und das Mädchen kippte vornüber, ohne dabei auch nur einen einzigen Laut von sich zu geben. Große rote Flecken breiteten sich auf ihrer Uniform aus, färbten es in nur wenigen Sekunden in einem dunklem Rot.
Mikoto erstarrte mitten im Lauf, im gleichen Moment, in dem das Mädchen hart auf dem harten Asphalt aufschlug.
Ihr Mörder kniete sich über das Mädchen und holte ein letztes Mal aus, platzierte das metallene Messer erneut im Rücken des wehrlosen und längst toten Mädchens, deren dunkle Uniform nun nass im Mondlicht glitzerte. Dabei stieß er einen eigenartigen Laut aus. Mikoto erwachte aus ihrer Erstarrung und nutzte ohne zu zögern den Anhänger, der wie immer um ihren Hals hing, um ihr Schwert herbei zu zaubern, packte es, noch während es sich materialisierte, fest und rannte die letzten paar Meter zu den beiden Jugendlichen. Dann holte sie aus und schlug zu.
Auf dem Dach war es still geworden.
Mikoto hatte ihre Geschichte beendet und blickte den Jungen an, der sie wiederum fassungslos anstarrte.
„Das... das ist eine Lüge!“, stammelte er. „Ich würde nie-, nie-, niemals einen Menschen umbringen! Das schwöre ich dir!“ Mikoto blickte ihn noch eine Weile an, was den Jungen sehr nervös machte, bevor sie ihm antwortete:
„Das Verrückte an der Sache ist ja, dass ich dir das glaube.“ Mikoto setzte sich auf den inzwischen kalten Asphalt im Schneidersitz, zupfte ihren, für diese Sitzposition etwas kurzen, Rock zurecht und überlegte dann kurz.
„Ich habe dich nicht der Polizei übergeben und das hat einen Grund.“, sagte sie ihm schließlich und holte kurz tief Luft.
„Ich griff dich an, ja, vielleicht hätte ich dich sogar getötet. Aber ich bin kein Mörder, im Gegensatz zu dir. Ich töte keine Menschen. Vor allem keine Menschen, von denen ich nicht sicher sein kann, dass sie wirklich schuldig sind. Als ich dich gestern sah, da hattest du keine Pupillen, deine Augen waren total verdreht, deine Bewegungen nach der Tat abgehackt und seltsam. Erst dachte ich, dass dies Auswirkungen einer Droge seien, doch als ich heute, durch einen mir bekannten Kommissar bei der Polizei, die Ergebnisse der Autopsie erfuhr, war ich mir sicher, dass du es nicht warst.“, erklärte sie ihm. „Ich verstehe... kein Wort.“
„In der Autopsie stand, dass du das Herz des Mädchens mit den drei Stichen sauber vom Rest des Körpers getrennt hast, so etwas habe ich bislang nur einmal in einem Videospiel gesehen, dass ich vor Jahren mal spielte. Der Held tötete zu Beginn in diesem fast schon einem Ritual ähnelndem Angriff ebenfalls einen Unschuldigen.“ Sie stoppte kurz und fügte dann hinzu: „Allerdings wurde er im Spiel von jemand anderem kontrolliert... und ich glaube, dass dir genau das gleiche passiert ist.“
Der Junge blickte sie ungläubig an. „Wie... wie in einem Spiel? Aber das kann nicht sein. So etwas ist Fiktion!“
„Nun... nicht wirklich. Es gibt eine Menge außerhalb unseres Wissens, dass existiert, jedoch zuerst unmöglich erscheint. Unsere Wissenschaft hat davon nicht einmal einen Bruchteil aufgedeckt. Manche Menschen können diese... anderen Dinge spüren oder gar sehen, aber die meisten wissen davon nichts.“
Der Junge stand plötzlich auf und schüttelte den Kopf.
„Das ist nicht lustig, Mikoto! Ich hatte einen BlackOut, vermutlich zu viel Alkohol. Aber ich habe niemanden umgebracht! Warum sollte ich auch?“, rief er wütend.
„Das „Warum“ beschäftigt mich ja auch... Und eines ist sicher... der Mord geschah!“
Der Junge unterbrach
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