Die Geisterseherin (German Edition)
Mutter dabei das Gästezimmer auszuräumen und hörte sich dabei vermutlich endlos viele Geschichte über die „ach so tolle“ Megumi an. Dennoch war es an diesem Nachmittag nicht nötig, dass Yuki in ihre Rolle schlüpfte. Vielleicht aber hatte Mikoto es auch einfach nicht mitbekommen. Wenn sie rückblickend über den Tag nachdachte, dann war sie sich nicht sicher, was dort eigentlich alles passierte. Es war an ihr wie ein heißer Fiebertraum vorbeigerauscht. Ihre Gedanken waren eh immer wieder zu dem Kommissar und den Stufe 3-Geist zurück gekehrt... zu jenem Fiasko, an dem wohl nur sie selbst Schuld war.
„Reiß dich zusammen, Mikoto.“, schalt sie sich selbst, als sie sich schließlich auf den Weg nach Hause machte.
Es war bereits dunkel geworden und sie lief, wie am Nachmittag, wieder durch irgendwelche Straßen, mal hierhin und mal dorthin. Sie wollte nicht nach Hause, da dort ihr Vater auf sie wartete. Er würde fragen, warum ein Polizist sie am Vorabend nach Hause gebracht hatte, warum den ganzen Abend lang geweint hatte und natürlich würde er sie auch wegen der Toten in der Schule ausfragen... und Mikoto war einfach noch nicht dazu bereit all die Geschehnisse in Worte fassen zu müssen.
Sie, die tagtäglich mit den Toten zu tun hatte, wurde von diesem einen Tod total aus der Bahn geworfen. Selbst das Bild ihrer Leiche hatte sich tiefer in sie gebrannt, als sie selbst zugeben wollte. Kein Wunder, dass sie die letzten zwei Tage so schlecht geschlafen hatte... Die Geister... sie begann sie zu hassen. Ihre Fähigkeit, das Leben als Geisterseherin, kam ihr plötzlich wie ein Fluch vor. All die Sachen wären nie passiert, wenn sie nur ein ganz normales Mädchen gewesen wäre.
Jemand lief an ihr vorbei und der Hauch eines eigenartigen Parfüms lag für einen kurzen Moment in der Luft. Mikoto schreckte aus ihren Gedanken hoch und spürte ein seltsames, eigenartiges Gefühl in ihrer Magengegend. Als würde sich in ihr etwas zusammen krampfen, ein wenig vergleichbar mit dem Gefühl, dass sie hatte, als sie die Herrin der Zeit zum ersten Mal erblickte. Doch als sie sich umdrehte, konnte sie niemanden entdecken, der ihr auffällig erschien.
Die Straße hinter ihr war vollkommen leer, nur eine weiße Katze saß auf einer Mauer und leckte sich genüsslich über das Fell. Ihre gelben Augen schienen im Mondlicht zu glühen, dennoch war es nur eine ganz normale Katze.
Sie schob den Eindruck, den Geruch und das Bild von blonden Haaren, beiseite. Gerade noch hatte sie doch gedacht, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie ein normales Leben führen würde. Sie sollte solche Eindrücke oder Geister wirklich anfangen zu ignorieren. Mikoto setzte sich wieder in Bewegung, sie konnte auch nicht ewig durch die Stadt laufen, irgendwann musste sie nach Hause... Sie bog um eine Ecke und stieß dabei beinahe mit einem Mädchen zusammen.
„Entschuldige!“, sagte sie erstaunt, als sie zurück prallte, bekam jedoch keine Antwort. Das Mädchen hatte lange, blonde und seidig glänzende Haare, welche Mikoto sofort auffielen, da die Haarfarbe in Japan nur sehr selten zu sehen war. Das Mädchen blickte Mikoto nur kurz mit ihren stahlblauen Augen an aber sagte kein Wort. Stattdessen schien sie nach einer gefühlten Ewigkeit eine leichte Verbeugung anzudeuten und lief dann weiter.
„Seltsames Mädchen.“ Vielleicht war sie ja ganz einfach stumm. Jetzt, wo sie darüber nachdachte... sie hatte irgendeine Bewegung mit der Hand gemacht, oder? Auf alle Fälle war sie eine Ausländerin, auch wenn ihr Gesicht einige asiatische Züge aufwies. Sie hatte sicherlich nur ein japanisches Elternteil.
Mikoto drehte sich erneut um und wollte endlich nach Hause gehen, als sie noch einmal über den Haufen gerannt wurde, dieses Mal aber unverschuldet.
Sie fiel rücklings auf die Straße und stieß dabei einen überraschten Laut aus.
„Aua...“
Sich fluchend wieder erhebend, klopfte sie den Schmutz von ihrem Rock und blickte dem Jungen hinterher, der einfach weiter gelaufen war, ohne auch nur ein Wort der Entschuldigung an sie zu richten. „Was ist das denn für ein Arsch?“, fragte sie sich.
Mikoto war wirklich sauer. Normalerweise reizten solche Leute sie nicht. Aber heute reichte diese Kleinigkeit bereits aus, um sie auf 180 zu bringen – ein weiterer Indiz dafür, dass sie nervlich seit der Geschichte mit Iori ziemlich am Boden war.
„Dem werde ich ein paar Takte erzählen!“, tobte sie und machte auf dem Absatz kehrt, folgte dem Jungen
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