Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
schnell. Mit lautem Gekreisch beantworteten ein paar Krähen den kurzen Knall der Büchse. Schwarz wie verwunschene Geister flatterten sie auf. Er erinnerte sich, dass er mit langem Blick hinter den zwei Hirschen hersah, die im Dickicht verschwanden, das stehende saure Schwarzwasser der Wiese hinter ihren Läufen aufspritzend und den aufsteigenden Frühnebel zerteilend. Lang war die Pirsch gewesen und schweißtreibend war sie und mit tiefem Atmen das Anschleichen im nassen Jungwald, dieses behutsame Springen von einer trockenen Stelle zur nächsten, und das ängstliche Vermeiden von Ästeknicken und von dichtem, das Gesicht zerkratzendem Gestrüpp. Und dann plötzlich, es jagte die Zeit in einem Husch. Blitzschnell ging alles. Der schnelle Schuss, denn die zwei Geweihträger waren mit einem Ruck verharrt, als der Schwarzspecht den Jäger meldete, nervös stürzten sie hin und her. Kein Wunder, wenn der Schuss ins Leere gegangen wär. Aber ihm war so, als hätt er den Treffer gehört, dieses dumpf trockene Aufschlagen der Kugel auf der Decke des Hirsches und er glaubte, als hätte der Achtender den Kopf zurückgeworfen, mit einem jähen Ruck, wie sie es tun, wenn sie getroffen sind. Allerdings schien es ihm doch, er wäre reichlich tief abgekommen, dieser jähe Schuss; und wenn er jetzt auch eine Stunde lang jede Wollgrasblüte, jeden Knaulgrasstängel, jedes Hälmchen Sumpfried, jeden Busch, jede Pfütze nach Schweiß oder abgewetzten Haarbüscheln absuchte, dachte er resigniert, und wenn er überall nach Spuren des Durchbrechens spähen würde; es fand sich kein Schusszeichen. Freilich hier in diesem hohen filzigen Jungwuchs, in diesem hüfthohen Kraut, den Moorflecken und den dicht an dicht wuchernden Büschen werde die Nachsuche mit dem Auge nicht genügen. Also war er zu seiner kleinen windschiefen Jagdbude zurückgegangen. Jagdbude war schon eine aufwertende Bezeichnung, denn es handelte sich mehr um einen Bretterverschlag, den er vor zwei Jahren hart an der felsigen Oberkante der großen schwarzen Schlucht zusammengenagelt hatte.
Wie een Schisshoisl im Walde!
hatte sein Drucker Krais gesagt, den er einmal mit hierheraufgenommen hatte, aber trotzdem war alles vorhanden, was die Jagd erheischte, Jagdutensilien, Ersatzschuhe, Decken, Werkzeug, sogar eine in einer Folie steckende Karte des ganzen Waldgebietes, und die Bude war bei schlimmem Wetter ein Unterschlupf. Fehsenfeld aß erst gehörig aus dem dort zurückgelassenen Rucksack, aß einen tüchtigen Kanten Brot, aß Käse und geräucherte Wurst, trank dann aus einer Thermoskanne lauwarmen Kaffee, gab schließlich dem Hund, den er hier zurückgelassen hatte, einen Happen. Das Tier winselte und zitterte gehörig, der Jäger beruhigte es, indem er ihm die schlappen Ohren tätschelte. Danach schlief der Zurückgekehrte zwei Stunden tief, fest und traumlos …
Wacht erst auf, als der helle Tag durch die Bretter schielt und als jemand von außen klopft und auch die Bracke anschlägt. Noch verschlafen öffnet er. Der Förster Stubbenbrandt tritt ein und hinter ihm, schwanzwedelnd, unruhig sein Deutsch-Drahthaar-Rüde Franz. Die Hunde beschnuppern sich, bewegen sich umeinand im Kreis. Fehsenfelds Bracke, die Hündin Sirta, steht in der Hitze.
Wirschde wull uffhöre! Hogge disch hie
, ruft der Förster und klatscht seinem Franz ein paar mit dem Lederriemen, dass er sich krumm und winselnd in eine Ecke verzieht.
Wo isch nu der Hirschen?
fragt Stubbenbrandt. Er kennt die Wechsel, er kennt jeden Hirsch hier oben, er hat den Büchsenknall gehört. Sie gehen hinaus. Es dauert nicht lange und sie stehen dort, wo der Jäger Fehsenfeld am zeitigen Morgen jeden Busch umgekrempelt hat. Er bleibt an einer Stelle stehen, und der Förster sieht an seinen Augen, hier habe er den Hirsch vermutet. Stubbenbrandt, ernst und still, schüttelt den weißhaarigen Kopf, sagt leise:
Dasch gibt eene saumäßige Nachsuche!
Fehsenfeld weiß das. Erst kommt der Ambringer Grund mit dem dichten Unterwuchs, dann das Noringer Holz, nass und tief, dann die Dickung auf Ehrenstetten zu, eng und dunkel, und schließlich der wilde Hexenbusch, und dort ist es wüst.
Stubbenbrandt macht eine Kopfbewegung. Sie soll heißen: Sie oder ich? Fehsenfeld, ganz Jäger, lässt sich seine Nachsuche nicht nehmen. Er sagt, das sei er seiner Jägerehre schuldig, auch wenn er aufs Blut zerkratzt werde oder in ein Sumpfloch falle. Stubbenbrandt brummt etwas, nickt. Er versteht das, auch wenn er weiß, er ist der
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