Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
wenig weiter weggegangen, um das Haus aus der Ferne zu bewundern. Und sie ist ja auch ein Prachtstück, seine neue Villa, mit einem großen Garten, an einer Seite von Tannen umstanden. Wunderschön der Wintergarten mit seinen großen Fenstern, von denen man bis nach St. Peter schauen kann, auch im Obergeschoss viel Glas und freie Sicht, ein umlaufender Balkon, wo man wie auf einer Aussichtsplattform freie Sicht in die liebliche Landschaft hat. Alles anheimelnd und im Schweizer Stil mit Holz verkleidet. Auch der Zaun, adrett, Sicherheit vermittelnd, die dunkelgrüne Farbe frisch aufgetragen, mit einem ziemlich hohen Lattentor. Unter mehreren Interessenten hat er sich durchgesetzt, zu einem vertretbaren Preis. Solche Grundstücke sind begehrt vor den Toren von Freiburg. Vielleicht verkauft er auch eines Tages mit Gewinn an einen der alten Bieter. Kommt Zeit, kommt Rat. Jetzt aber genießt er das Grundstück, steht stolz am Zaun oder auf dem Balkon, wenn sonntags die Spaziergänger vorbeikommen, lächelt, winkt ihnen jovial mit der Hand. Mit den Töchtern wandert er viel in der Umgebung oder fährt mit ihnen mit den neuen Fahrrädern auf der Landstraße Richtung St. Peter.
Auch jetzt, als Karl May mit Emma eintrifft, steht er am Zaun, in seiner Jägerjoppe, zünftig, lächelnd, als stolzer Villenbesitzer. Paula ist mit den Mädchen im Haus geblieben, das Mittagessen vorbereitend. Es gibt Mays Lieblingsgericht – Hühnersuppe mit Nudeln, allerdings mit Schwäbischen, das ist ja klar. Er, Fehsenfeld, hat nicht so viele Umstände machen wollen, schließlich hat er seinen Autor ja gerade bei einer üblen Aktion ertappt. Warum also nun noch sein Lieblingsgericht? Paula hat nur gesagt: Sei nicht so kleinkariert, Ernst, sei generös, zeige Größe. Tu das Unerwartete, dann versetzt du ihn viel eher in Verlegenheit …
May hilft seiner Frau aus der Motordroschke, lässt sich vom Chauffeur die Koffer bis zum Lattentor tragen. Natürlich ist er, Fehsenfeld, seinem Autor entgegengegangen, hat ihn und seine Frau am Tor begrüßt. Umarmt haben sie sich nicht, stattdessen artig die Hand gegeben, für Emma ein Handkuss, so viel der Höflichkeit ist Pflicht. May hat seinen Kneifer hin und her gerückt, sich aufgerichtet, das Haus begutachtet.
Was er denn für die Laube bezahlt habe?
Laube??
Ja, gut, das viele Holz, verzeihen Sie mir, es war liebevoll gemeint. Wenn wir in Sachsen „Laube“ sagen, so hat der Ausdruck etwas Verkleinerndes, Romantisches. Wir wollen ja alles immer klein, handlich, überschaubar – sächsisch haben … Ob er sich erinnere? fährt May fort, für die „Gartenlaube“ habe er ja eine Menge geschrieben. Und er lacht entwaffnend. Kleiner Scherz! Also wie viel, Verehrtester? Auf Ehre. Fehsenfeld zögert, kneift die Augen zu, sagt eine Zahl. Neuntausend Reichsmark! Darauf May: So, so. Neuntausend also. Das sei ja recht erträglich, aber es stamme alles von seinen Büchern. Ha, ha. Woher denn sonst, wenn nicht von seinen Büchern? Das habe Winnetou finanziert. Ha, ha.
Das Gespräch bricht ab. Fehsenfeld bekommt einen Hustenanfall. Zur rechten Zeit. So erspart er sich die passende und wütende Entgegnung.
Emma, nach dem Handkuss, ist am Zaun entlanggegangen und hat ein paar Sommerblumen gepflückt, Blumen, die vor dem Grundstück am Wege im Gras standen. Für die liebe Paula, sagt sie lachend. Sie hätte ganz vergessen, in der Stadt einen Strauß zu kaufen. Aber diese hier, und sie zeigt die Blumen hoch, sehen viel hübscher aus.
Lasst uns hineingehen! schlägt der Verleger vor, und er nimmt den Koffer des Alten.
Oh, Tausend Dank, das ist sehr freundlich.
Fehsenfeld, nach ein paar Schritten: Was Sie bloß mitschleppen? Der ist ja schwer, als wären Bücher darin. Ja, entgegnet May, leise lächelnd hinter Fehsenfeld hergehend, ja, in der Tat, da hätte er recht. Es seien tatsächlich ein paar Bücher darin, und die beiden neuesten Manuskripte. Er hätte vorgehabt, noch etwas daran zu arbeiten. Ganz ohne seine Bücher, ganz ohne Arbeit, das gehe nicht. Und ein Schriftsteller wie er sei ja ohnehin im Dauerbetrieb, da müsse er schon den Kopf zu Hause lassen, und selbst der würde dort zurückgelassen Texte und Geschichten ersinnen … Man könne ja nun, fügt er nach einer kleinen Pause an, da es sich so gefügt habe und man beieinander wäre, über das eine oder andere der neuen Projekte noch reden.
Sie haben das Haus erreicht. Fehsenfelds schon fast erwachsene Töchter, die fünfzehnjährige Eva und
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