Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Entschuldigung. Im Übrigen, fügt er ein wenig verlegen und unsicher lächelnd an, und es fällt auf, dass er Karl May nicht in die Augen zu sehen versucht, im Übrigen habe er ihm die Rolle des Revisors aus Leipzig ohnehin nicht geglaubt, vom ersten Augenblick an habe er gezweifelt, denn er habe ihn erkannt, und nach seinem Anruf bei Fehsenfeld sei er sich dann sicher gewesen, dieser Geheime Rat sei in Wahrheit niemand anders als der bekannte Autor Karl May, und er gebe zu, er habe sogar einen Augenblick überlegt, ob der Verleger und sein Autor nicht gemeinsame Sache machten …
Was das solle! Fehsenfeld protestiert, runzelt die Stirn. Der alte Buchhändler grient. Ja, er wisse, das sei abwegig. Der Verleger sei ein Ehrenmann. Also gut, er sei bereit, die ganze Sache als einen üblen Scherz anzusehen, und er wolle sie nicht weiter verfolgen. Vielleicht könne man daraus sogar etwas Positives machen, indem Herr May in den nächsten Tagen in seiner Buchhandlung eine offizielle Signierstunde abhalte. Wie wäre das?
Karl May, der Ertappte, der einen prüfenden Blick auf seine Frau geworfen hat, die gänzlich unbeteiligt, ein Liedchen summend, weiterhin im Laden umhergegangen ist, findet endlich, es sei an der Zeit ein paar Worte zu sagen. Mit einem treuherzigen Blick und plötzlich in breitestem Sächsisch entschuldigt er sich zuerst bei dem Buchhändler, dann bei seinem Verleger. Er erzählt eine wirre Geschichte, warum ihm die Idee gekommen sei, hier im Schwarzwald die Auslieferung und den Verkauf seiner Bücher zu kontrollieren, spricht von Denunziationen und Einflüsterungen, die in ihm einen bestimmten Verdacht genährt hätten, und da er eine leicht entzündliche Fantasie habe, sei er kurz entschlossen, ohne seinem Verleger ein Wörtchen zu sagen, in den Zug gestiegen und hierher gefahren, ursprünglich hätte er noch andere Buchhandlungen in der Gegend aufsuchen wollen, aber inzwischen, auch, nachdem er gestern die Bücher und Bestände hier in dem Buchladen Pforzheim Nachf. & Söhne gesehen, sei ihm klar geworden, dass sein Verdacht unbegründet sei, und er hätte seinen Plan nun ganz und gar aufgegeben. Ja, er freue sich über das Angebot einer Signierstunde, denn so könne er noch ein paar Tage im herrlichen Schwarzwald bleiben.
Also, meine Herren, sagt der kleine Herr May und breitet die Arme aus, was besagen soll, hier stehe er, er habe alles gesagt und er betrachte die Sache seinerseits für erledigt.
Fehsenfeld, mit einem Seitenblick auf seinen Cousin, ist froh, wie die Angelegenheit jetzt ausgegangen ist, beinahe ohne dass er viel hat sagen müssen, fast wie von selbst, vielleicht auch, weil es dem Buchhändler außerordentlich peinlich erschienen ist, dass er sich derart hat übertölpeln lassen. Trotzdem scheint dem Verleger, werde es eine heilsame Lehre für seinen Autor sein, auch wenn der jetzt mit einem blauen Auge davongekommen ist. Er sagt: Also gut, lieber May, bleiben Sie hier bei uns im Lande und, im Gegenteil, ich lade Sie und Ihre Gattin ein, bei mir, in meinem Hause in Freiburg, noch ein paar Tage Quartier zu nehmen. Vielleicht können wir dann auch, neben der internen Auswertung dieser Sache, anderes, Geschäftliches, Fragen der kommenden Auflagen, besprechen.
May, jetzt wieder obenauf, sagt lachend zu. Natürlich freut sich auch Emma. Eine willkommene Abwechslung. Sie jauchzt vor Vergnügen, hält den riesigen Hut in der Hand, ordnet mit einer Hand ihr Haar.
Man verabschiedet sich von dem alten Pforzheim, Fehsenfeld bittet ihn, auch im Namen seines Autors, um Entschuldigung. Der Buchhändler, gütig, ein wenig zittrig, ist erleichtert. Er weiß, wie sehr er sich blamierte, wenn alles öffentlich würde, und natürlich weiß er auch, was er an May’schen Auflagen weiter verdienen wird, auch die Signierstunde wird ihm einiges einbringen. Gleich, wenn die Herrschaften gegangen sind, will er ein Plakat in Auftrag geben, um die Anwesenheit des Berühmten in Gundelfingen anzukündigen, die Signierstunde bekannt zu machen. So wird am Ende noch etwas Gutes aus der vertrackten Sache.
Auf Wiedersehen! Vorsicht, Stufe! Bitte sehr! Auf Wiedersehen!
Mit rascher Hand wird das Schild, das ungebetene Besucher abhalten sollte, entfernt. Die Ladentür schließt sich hinter den Besuchern, den Mays, Krais und Fehsenfeld.
Und leise schaukelt das ovale metallene Schild über der Tür …
Fehsenfeld, im Arbeitssessel, aus seiner Erinnerung auffahrend, seufzt. Halt! Da war doch ein Geräusch! Nein,
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