Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
fleht er, bitte, lieber alter Freund, lieber May, lassen Sie es gut sein, bitte …
Auch Klara, die mit hereingekommen, hat neben der Tür schweigend gestanden und den Worten ihres Mannes gelauscht, ganz ehrfurchtsvoll, ja mit Andacht sogar. Sie ist ganz still gestanden, die Klara May, und ein wenig eifrig ergänzt sie, sagt – gar nicht mit Geld sei dieses Werk zu bezahlen, der Betrag, den sie gezahlt, könne nur als eine Art Anzahlung verstanden werden, als ein kleiner materieller Gegenwert, ein Ablass vielleicht, der viel größere Anteil sei der geistige, der aus diesem Kunstwerk herüberwehe; insofern, wenn man es kaufmännisch sehe, komme es einem vor, als habe man den „Zinsgroschen“ des Tizian für ein paar Silbergroschen erstanden. Ein Gelegenheitskauf sozusagen. Und man müsse aus Scham wie aus Ehrfurcht verschweigen, wie viel man in Wahrheit gezahlt habe, wie viele Silbergroschen in den Beutel des armen Malers gewandert seien …
Klara verstummt, sie hat einen Blick ihres Mannes aufgefangen. Und wie ein Hausmädchen knickst sie, sagt, sie werde dann drüben im Esszimmer das Abendessen auftragen lassen. Oder ob die Männer vorher noch einen Likör oder ein Glas Wein wünschten?
May, sonst kein Freund des Alkohols, nickt, schaut fragend zu Schneider, und als der weiter stumm bleibt, sagt er: Ja, Herzle, lass nur eine Flasche Meißner Schieler aus dem Keller holen. Vor dem Essen ein Gläschen, das wird uns gefallen …
Das Gewünschte steht bald auf einem kleinen Tischchen neben dem geflochtenen Wandschirm mit den Koransprüchen. Das Mädchen, es ist eine neue Hausangestellte namens Agnes, ein rotblondes Kind von ungefähr siebzehn Jahren, seit vier Wochen bei den Mays, entkorkt die Flasche, gießt, ganz wie eine gelernte Kellnerin, einen Probeschluck in eines der Gläser, dabei schaut sie erstaunt auf den beiseite stehenden Maler, der, wie abwesend, das Ganze nicht zu bemerken scheint. Er steht noch immer sinnend vor seinem Bild. May indes, er nimmt ein Schlückchen, lächelt das Mädchen an, seine tiefblauen Augen sind einen Schatten dunkler geworden, er tätschelt ihr die Schulter, sagt leise: Den nehmen wir. Welcher Jahrgang? Sie habe ihn aus dem 97er-Regal, antwortet das Mädchen, dann knickst sie und geht ab. May, der ihr nachgeblickt hat, seufzt, schaut schnell zu Schneider. Kommen Sie, lieber Freund, auf einen Extraschluck, ehe meine Frau kommt, und er gießt ein, reicht dem Maler das Glas. Sie trinken. Schneider, weil er auf einmal großen Durst verspürte, hat zu schnell getrunken, er verschluckt sich, bekommt einen Hustenanfall, versprüht den Wein um sich her. Auch May, der zwei Schritte zurückgewichen ist, bekommt etwas ab. Der Maler entschuldigt sich. Dieses hastige Trinken, sagt er, werde noch einmal sein Tod sein … jetzt sei es Wein, aber es könne auch mal etwas anderes sein, das er, ohne nachzudenken, in sich hineinstürze, eine Flasche Essigwasser zum Beispiel oder ein Glas Reinigungslösung, das irgendeiner stehen gelassen habe, ach, er wisse auch nicht, seit einiger Zeit plage ihn ein heftiges, plötzliches Durstgefühl, verbunden mit peinigendem Jucken an Händen und Füßen.
Schon früher, als Kind und als junger Bursche, habe er solche Durstattacken gehabt, habe sich auch damals verschluckt, immer wäre es, als ob seine Kehle mit zu schnellem Trinken nicht fertig werden könne …
Schneider steht da, ein bedauernswerter Pechvogel, die Hemdbrust nass vom Wein, wieder ziemlich rot im Gesicht. May lacht leise, nachsichtig und väterlich, er wischt sich die Weintropfen vom Anzugärmel. Kommen Sie, mein Teurer, wir trinken noch ein Glas. Aber jetzt langsam und mit Bedacht, ein weiteres Trankopfer ist gar nicht nötig … Wieder gießt der Alte ein, übergibt das Glas, hält den Maler am Unterarm, so, als ob er sich bei ihm einhaken wolle, senkt dabei seinen Blick in den des Freundes, lang und tief. Und jetzt trinken Sie, ich werde daneben stehen bleiben und sehen Sie, es geht alles glatt. Gut gemacht.
In diesem Moment erscheint Klara. Im Esszimmer sei die Tafel gedeckt. Sie bitte die Herren zu Tisch. Es gäbe wieder einmal Hasenbraten, von Hasenbraten könne der Hausherr nicht lassen, es sei sein Lebenselixier. May lächelt verlegen, zugleich aber zufrieden, denn er denkt daran, wie er sich als Kind sehnlich gewünscht hatte, dass dann, wenn er erwachsen wäre und eine richtige Familie habe, wenn er das Familienoberhaupt wäre, dass dann immer nur solche Gerichte auf den Tisch
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