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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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machen, auch solche wie den Schopenhauer und den Nietzsche, sogar den Herzl, den Marx …
    Erich schnuppert mit aufkommendem Appetit den Geruch aus der Küche. Wie wohler er sich gleich fühlt, vielleicht sollte er tatsächlich mit der Elsbeth zusammenziehen, dann wäre sein karges Dasein mit einem Schlag beendet, und er brauchte sich nicht das ewig versalzene und halb kalte Essen von seiner Wirtin vorsetzen lassen, brauchte nicht abends hartes und manchmal verschimmeltes Brot und alten welligen Käse zu essen, brauchte nicht in die verräucherte Eckkneipe zu gehen. Soll doch sein Vater die Nase rümpfen, dass er mit so einer zusammen lebt, wenn er ihm nur die monatliche Stütze nicht entzieht, und soll auch ihr Vater in Troppau was dagegen haben, der hat die Elsbeth sowieso nicht halten können, selber schuld, jetzt hockt er einsam in der böhmischen Provinz und versauert. Erich drückt die Zigarette aus, überlegt, ob er sich eine neue anzünden soll. Aber er lässt es. Nein, er denkt nicht daran, es sich mit seiner Elsbeth zu verderben, mögen die Väter brummen und knurren, im Gegenteil, er wird sie ein bissel verwöhnen, seine Betty, sie sich halten.
    Da bringt sie die Suppe. Sie setzen sich an den kleinen runden Tisch. Erich löffelt mit Genuss. Auch die gekochten Schweinerippchen knabbert er, das frische Brot, das Sauerkraut. Er isst unzivilisiert, hastig, schlingt große Bissen hinunter, und er schwatzt dabei mit halb vollem Mund, erzählt seine albernen Studentenscherze, über die sich die Elsbeth immer ausschüttet vor Lachen.
    Elsbeth hat ihrem Erich seine Lieblingsspeisen bereitet, hat sich angestrengt, hat liebevoll auf Details geachtet, aus Freude über die guten Nachrichten von Rudolf Lebius, ihrem Chef, der Aussicht, über die Zusammenarbeit mit Karl May endlich zu dem ersehnten Erfolg zu kommen. Sie wartet darauf, Erich von diesem Glück und auch von dem merkwürdigen Kunden zu erzählen, den ihr der Lebius vergrault hat. Endlich, Erich wischt sich den Mund ab, findet sie die rechte Minute. Er aber, ihrer Schilderung ernst zuhörend, dämpft ihre Begeisterung. Er habe von einem Freund Kunde über die Praktiken des Lebius, dieses windigen Typs. Der sei, was er immer schon gesagt, ein Hallodri, ein Scharlatan, dem man nur so weit trauen dürfe, wie man ihn sehe. Er glaube nicht, dass sich der Schriftsteller May an irgendeiner Unternehmung ihres Rudolfbeteilige, da habe der dick aufgetragen. May sei vorsichtig im Umgang mit der Presse und wen er nicht kenne, dem traue er nicht. Gewiss, May sei ein bekannter Mann und sicher habe er auch Geld. Seine Bücher gingen in die Hunderttausende. Obwohl er, der Student Erich Fromhagen, als Mitglied der Sozialdemokratischen Jugend nicht viel von Mays Büchern halte, zu viel Frömmelei, zu viel Deutschtümelei, zu viel gelogen, zu wenig Solides, zu viel künstlicher Patriotismus, nichts Ernsthaftes, keine Tiefe, alles nur Oberfläche für Heimathefte, verlogener Gefühlskitsch. Dennoch sei der May, so viel habe er gehört, ein liebenswerter alter Herr und neuerdings sogar ein Kriegsgegner und Pazifist. Das werde ein Umschwenken der nationalen Kräfte bewirken, die bisher auf ihn gesetzt hätten. Da werde er noch Ärger kriegen. Aber nun der Lebius, dies sei, als ob man mit dem Teufel zu Abend säße. Da brauche der May einen langen Löffel. Wie gesagt, Erich Fromhagen wiederholt sich, doziert, wirkt ein bisschen belehrend, sie solle die Finger von dem Projekt lassen, es verberge sich dahinter nichts Gutes und es werde schlimm enden. Sie solle den ganzen Kram hinter sich lassen, die Künste warteten auf sie, die Musik, die Malerei … Erich langt über den Tisch, umarmt seine Elsbeth, küsst sie.
    Elsbeth Kühnel hat darauf gebrannt, Erich von dem May-Vorhaben zu erzählen, von ihrem Glück und der Aussicht, mit dem Verlag „Sachsenstimme“ endlich zu ihrem kleinen Wohlstand und ein bisschen Geld zu kommen, zu Sicherheit und Stabilität, auch von dem neuen Kunden wollte sie noch reden, den der Lebius verjagt hat und von dem sie, nun der Erich sogleich auf den May eingestiegen ist und sich ereifert hat, noch gar nichts berichten konnte.
    Sie hat sich darauf gefreut, vor ihrem Erich endlich einmal etwas Gutes und Erfolgversprechendes auszubreiten, umso mehr enttäuscht ist sie, dass er ihre Freude so heruntergemacht hat, dass er ihre Aussichten auf Erfolg so abtut. Es ist ein Jammer, immer, wenn etwas nach Politik riecht, gehen ihre Meinungen auseinander, ach, nun

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