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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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schmuckes Frauchen, nach dem die Männer sich auf der Straße umdrehen, aber nach Jahren des Aufstieges als Redakteur, nach verschiedenen Publikationen zum Kriegswesen von der Antike bis zur Gegenwart, nach erfolgversprechenden Anfängen in der freien Schriftstellerei ist er jetzt an einem Punkt angekommen, wo die Welt von ihm nichts mehr wissen will, nur von Gelegenheitsarbeiten lebt er und er spürt, wie er versauert; wenn das Erbe und ein paar Nebeneinnahmen aus dem Immobilienbesitz seiner ersten Frau Marie Auguste nicht wären, oh Gott, er wüsste nicht, wie es weiterginge. Manchmal denkt er, dass er sich wieder seinem alten Ausgangspunkt nähere, an dem er nach seiner Entlassung aus Schloss Osterstein im Januar des Jahres 68 gestanden hat, und der philosophische Gedanke, alles sei ein ewiger Kreislauf, ergreift ihn und lässt ihn schaudern und in sein Leben wie in einen tiefen, schlammigen Abgrund sehen.
    Seit zwei Jahren geht es ihm dreckig und er hat das so gut es ging vor seiner jungen Frau verborgen. Aber wie lange wird er das noch können? Manchmal denkt er, er sollte wieder bei seinem alten Kumpel Karl unterkriechen, einmal hat er schon ein paar Wochen bei ihm gewohnt, nach seiner ersten schwereren Erkrankung vor zwei Jahren, als er in Blasewitz im Nazareth-Heim untergebracht war und als Karl damals jemanden brauchte, der ihn gegen die Pauline Münchmeyer in den ersten Prozessen unterstützte, doch er weiß nicht, wie er es machen soll, jetzt nochmal damit anzufangen, den alten Freund zu bitten, er möge ihn unterstützen, ach, wie peinlich würde ihm das. Die unbezahlte Rechnung in seiner Tasche ist schon schlimm genug …
    Mit einem kleinen verdrießlichen Schnauben steht er auf, klemmt die Ledertasche unter den Arm, hält sie wie etwas Wertvolles, das er nicht aus der Hand geben darf, tritt ans Fenster, schaut mit leerem Blick in den Vorgarten. Ein kleines Hüsteln fällt ihn an. Und da ist er wieder, der unbestimmte Krampf in der Brust. Was das nur ist? Er weiß es nicht. Es schmerzt nicht sehr, aber es quält ihn, bringt seine Gedanken immer wieder darauf, dass es ihm nicht gut geht, dass da etwas in ihm ist, das wächst und zerstört, das ihn nicht zur Ruhe kommen lässt. Nicht sieht er draußen im Vorgärtchen die Frühjahrsblüher, nicht das frische Grün, nicht die Vögel, die in den Zweigen hüpfen und turnen. Er starrt nur blicklos und trübe, wendet sich schließlich ab, schaut auf die Standuhr. Der Perpendikel schlägt langsam aus, nach links, nach rechts. Getig, getak, getig, getak. Er scheint nicht gleichmäßig zu schlagen, auf der rechten Seite schlägt er stärker, dort ist das Geräusch mehr zu hören. Max Dittrich schaut wie gebannt auf das schwingende goldene Pendel, fast wird ihm ein wenig schwindlig vom Zusehen. Aufstöhnend lässt er sich in das schwarze Sofa fallen, spürt die Kälte des Leders. Atmet gleichmäßig und tief. Noch eine halbe Stunde, bis dieser Lebius kommt, denkt er. Karl hat ihn vor ein paar Minuten hier in dem Empfangssalon allein gelassen. Er müsse noch einmal nach oben, hat er gesagt, sich umziehen und ein paar Papiere bereitlegen. Aus der Küche hört er leise klappernde Geräusche. Klara und die Mädchen sind mit dem Imbiss beschäftigt, den man vorsetzen will. Kaum wahrnehmbar schwebt der Geruch frischen Kaffees heran. Noch ganz in Gedanken lässt Dittrich seinen Blick umherschweifen. Der Raum, in dem er sich befindet, ist geschmackvoll im Stil der Zeit eingerichtet und doch wirkt er überladen, protzig, herausfordernd, museal wie ein Völkerkundesalon. Gegen seinen Willen, geradezu magisch, wird die Aufmerksamkeit vor allem von dem kolossalen Tempera-Gemälde an der Wand gegenüber dem schwarzen Ledersofa, auf dem er Platz genommen hat, angezogen. Jetzt erst betrachtet Dittrich es genauer, versucht sich darauf zu konzentrieren, strengt sich an. Aber es will ihm nicht gelingen. Es macht ihm Angst. Es stellt eine Lichtgestalt von übermenschlicher Größe dar, die mit abwehrend erhobener Rechten einem wie betäubt zurücktaumelnden Menschen entgegentritt. Das also ist das Bild „Die Offenbarung“, sagt sich Dittrich, vor das ihn May, bevor er sich nach oben verabschiedete, gleich nach der Begrüßung geführt hat. Schau dir’s an, hat er in kumpelhaftem Ton gesagt und ihm einen Klaps auf die Schulter gegeben, genieße es und erschauere. Alle erschauern bei seinem Anblick. Auch er, sein bester Freund, werde erschauern. Weitere Bilder ziehen Max Dittrichs

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